TV-Sternstunde in Sachen Destigmatisierung: Der Berliner Komiker, Schauspieler und Grimme-Preisträger Kurt Krömer (alias Alexander Bojcan) startete mit einem Paukenschlag in die vierte Staffel seiner rbb-Show „Chez Krömer“: Nach zehn Minuten Geplänkel mit seinem Gast und bekennenden Depressionserfahrenen Torsten Sträter, 54, erklärte erstmals auch der Gastgeber öffentlich: Er sei schwer depressiv und vorigen Herbst acht Wochen in einer Tagesklinik gewesen, „weil ich nicht mehr lebensfähig war, weil nichts mehr ging.“ Durch die Therapie habe er erfahren, dass er schon 30 Jahre depressiv war, hatte Krömer zuvor in einem Tagesspiegel-Interview erklärt. Ende 2020 hatte er sich auf Facebook bereits als trockener Alkoholiker geoutet.
Sträter beglückwünschte den Kollegen zu seinem Depressions-Outing: „Du bist ein Hoffnungsträger für alle anderen. Wir sind jetzt schon zwei, die darüber reden.“ Drei Jahre sei er von Arzt zu Arzt gerannt, erzählte Krömer, er habe so ein „diffuses Gefühl“ in sich gehabt – „wie Verliebtsein, aber mit bekloppten Schmetterlingen“, mit bösen Schmetterlingen. Voriges Jahr dann der „Peak“. Er sei um 8 Uhr morgens aufgestanden und habe einkaufen wollen, um abends für seine Kinder zu kochen. Doch allein das Erstellen der Einkaufsliste habe vier Stunden gedauert. Im Supermarkt haben er angefangen zu weinen, „weil ich dachte, ich weiß nicht mehr, wie das hier geht.“
Eine gute Beschreibung, fand Sträter, der auch Schirmherr der deutschen Depressionsliga ist („weil Harald Schmidt auch Schirmherr ist“..). „Komplette Überforderung bei absolutem Pillepalle“ und ein mieses Gefühl, das man nicht beschreiben könne. Ein „Fremdgefühl“ von „ist einfach nur schrecklich“.
Angst, „dass dann auch meine Vollmeise weg ist”
Wovor hatte Krömer am meisten Angst? Er habe Angst gehabt, dass er geheilt werde „und das meine Vollmeise auch weg ist.“ Auch Suizidgedanken waren Thema in der unerwartet ernsten Showsendung. Vor 25 Jahren, in seiner schlimmsten Phase, sei ihm der Gedanke, sich umzubringen plötzlich plausibel erschienen, erklärte Torsten Sträter freimütig. Doch er ging zum Arzt. Das rät er auch anderen, bricht eine Lanze für den Hausarzt. Der könne einen dann auch zu einem Psychiater schicken. Wenn es einem ganz dreckig gehe, „dann fahrt ins Krankenhaus!“
Noch einen Tag vor Klinikeinweisung auf der Bühne
Aber depressiv und auf der Bühne stehen und lustig sein – wie kann das zusammengehen? Offenbar erstaunlich gut und besser als alles andere. Jedenfalls kurzzeitig. Einen Tag vor der Klinikeinweisung sei er noch aufgetreten, erklärte Kurt Krömer. Die zwei Stunden auf der Bühne sei die beste Zeit gewesen. Davor ging es schlecht, danach erst recht. „Als würde dir jemand eine dunkle Jacke überlegen, wenn Du von der Bühne kommst“, beschreibt es Sträter. Er habe Phasen gehabt, in denen er deshalb dreieinhalb Stunden auf der Bühne blieb, weil er nicht Feierabend machen wollte ..
Schlafprobleme, Konzentrationsprobleme, Vergesslichkeit nennt Krömer als Symptome einer Depression. Ob Sträter auch Panikattacken hatte, will der 46-Jährige von seinem Gast wissen? Ja, hatte er, im Kino. Und auch sonst kennt er Krömers Symptome aus eigenem Erleben. So wie grübeln. Er sei 15 Stunden mit Problemen beschäftigt gewesen, ohne Lösungen zu finden, und am nächsten Tag ging es von vorn los, schildert Krömer. Weil es oft keine Probleme sind, sagt Sträter. Ihm sei früher mal der Strom abgedreht worden, und obwohl er Geld hatte, habe er es nicht hingekriegt mit einem Überweisungsträger in die Innenstadt zu fahren und mit jemandem zu reden, erklärt Sträter. Er brach in dieser Sendung noch ein Tabu, das vor allem Männer umgibt: „Ich weine öfter mal, wenn ich überfordert bin.” A. Hinrichs
“Chez Krömer” startete am 23. März mit sechs neuen Folgen in die vierte Staffel. Die Folgen sind in der ARD Mediathek und auf YouTube zu sehen. Gäste der nächsten Sendungen sind u.a. Karl Lauterbach und Frauke Petry. „Chez Krömer“ wird dienstags ab 22.15 Uhr auf rbb ausgestrahlt.