Sucht nach Medikamenten

Jugendliche nehmen opioidhaltige Schmerzmittel immer häufiger als Droge. Foto: ZDF/Vita Spieß

In der heutigen Leistungsgesellschaft wird schnell zu Schmerzmitteln gegriffen – ob zu rezeptpflichtigen oder freien Medikamenten, die oft heftige Nebenwirkungen haben und zur Abhängigkeit führen können. In Deutschland geht man von mehr als 1,6 Millionen Abhängigen in Deutschland aus. In der “37°”-Reportage “Nebenwirkung: Sucht – Wenn Schmerzmittel krank machen”, die noch bis 2028  in der ZDFmediathek zu sehen ist, erzählen drei Betroffene, wie sie durch ihre körperlichen und seelischen Schmerzen in einen Teufelskreis aus Abhängigkeit und Krankheit geraten sind.

Seit einem Fahrradunfall vor vier Jahren leidet Melanie (44) an CRPS – dem komplexen, regionalen Schmerzsyndrom. Starke Schmerzmittel wurden ihr damals verschrieben, darunter Opioide. Diese nahmen ihr zwar die Schmerzen, doch die sonst so lebensfrohe Melanie stumpfte ab: “Ich hatte das Gefühl, innerlich tot zu sein.” Dass ihre Teilnahmslosigkeit eine Nebenwirkung der Opioide und Melanie medikamentenabhängig war, wurde ihr erst klar, als die Mittel nicht mehr wirkten und ein Arzt stärkere empfahl. Melanie entschied sich für einen kalten Entzug. Ihre chronischen Schmerzen sind geblieben, durch eine multimodale Schmerztherapie und viel Willenskraft schafft sie es aber, fast ohne Medikamente mit ihrer Krankheit umzugehen. Ein glückliches Familienleben und Freizeitaktivitäten sind wieder möglich, und auch in ihren geliebten Job konnte Melanie zurückkehren.

Der 22-jährige Fabio hatte keine glückliche Kindheit. “Ich habe viel Einsamkeit, Überforderung und Kälte erlebt”. Mit 13 Jahren entdeckte er eine Möglichkeit, sich seinen seelischen Schmerz zu nehmen und Wärme und Liebe zu fühlen – durch Opioide. Bald landete er beim Heroin. “Es war ein so wohliges Gefühl. Als würde dich deine liebste Person umarmen.” Für Fabio ging es längst um Leben und Tod. Nach mehreren Überdosen redeten ihm sein Freunde intensiv ins Gewissen. Fabio schaffte es, in die Drogen-Selbsthilfe Fleckenbühl zu gehen. Nach einem harten Entzug lernt er dort seine Gefühle wieder kennen, die nun ungedämpft ans Licht kommen.

Klaus (67) musste für seinen Beruf als selbständiger Tennistrainer und Veranstalter für Sportreisen immer fit sein und täglich “abliefern”. Mit den Jahren häuften sich jedoch körperliche Beschwerden, die sich zu starken Schmerzen ausweiteten. Jahrelang nahm Klaus rezeptfreie Schmerzmittel ein – Diclofenac und Ibuprofen. Um einsatzfähig zu bleiben, steigerte er die Dosen, und das ein oder andere Glas Wein verstärkte ihre Wirkung. Plötzlich versagte seine Leber. Fast ein Jahr lang lag der einstige Sportler im Krankenhaus und bekam – dem Tode nah – eine Lebertransplantation. Seine Schmerzen sind geblieben, und Klaus muss weiter Medikamente dagegen einnehmen, aber heute wird er dabei medizinisch begleitet. Zwei große Stützen in seinem Leben sind seine Schwester und sein bester Freund, die immer zu ihm gehalten haben. Nach vier Jahren kann er sogar zum ersten Mal wieder Tennis spielen. (rd/PM ZDF)