Opioide: Bald
mehr Drogentote?

Heroinfund aus 2022. Foto: Archiv / Polizei Sachsen

 „54 Drogennotfälle innerhalb von vier Tagen in Dublin, Häufungen auch in Großbritannien: Gefährliche synthetische Opioide sind in Europa angekommen. Dringend erforderlich sind Erste-Hilfe-Schulungen und Opioid-Schnellteststellen“ – In einer gemeinsamen Pressemitteilung warnen die Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho), der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit Akzept e.V. sowie die Deutsche Aidshilfe vor einer drohenden drastischen Zunahme von Drogennotfällen auch in Deutschland.

Hintergrund: Immer häufiger werden illegal gehandeltem Heroin synthetische Opioide wie Fentanyl oder Nitazene beigemischt. Diese Stoffe wirken mehr als 100-mal stärker und sind extrem schwer zu dosieren. „Konsumierende werden  davon überrascht“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Die Stoffe verursachen eine Atemdepression, die schnell tödlich verlaufen kann. In Kanada, aber beispielsweise ebenso in Estland wurde Heroin durch synthetische Opioide ersetzt. Grund: Die synthetischen Stoffe seien billig zu produzieren. Zugleich haben die Taliban in Afghanistan den Mohnanbau verboten und brennen Mohnfelder ab. Das könnte in naher Zukunft die  Verfügbarkeit der natürlichen Rohstoffe für die Heroinproduktion in Europa weiter reduzieren. Fachleute rechnen damit, dass dieser Mangel immer stärker mit synthetischen Opioiden ausgeglichen werden wird – eine tödliche Gefahr für heroinabhängige Menschen.

Weniger Mohnanbau in Afghanistan – Ausgleich durch synthetische Opioide?

„Städte und Kommunen sollten jetzt Vorkehrungen treffen, um diesen Drogennotfällen begegnen zu können“, sagt der Suchtforscher Prof. Dr. Daniel Deimel vom Deutschen Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP) der katholischen Hochschule NRW. Ebenso müssten der Bund und die Bundesländer entsprechende Mittel für die Programme der Schadensminderung für DrogenkonsumentInnen vorhalten und diese ausbauen. „Wir verzeichnen jetzt schon die höchste Zahl von Drogentoten seit 20 Jahren“, warnt Deimel.

Konkret gefordert werden Schnellteststellen, die  helfen, synthetische Opioide vor dem Konsum zu identifizieren. Diese könnten zum Beispiel in Drogenkonsumräumen eingerichtet werden, die es immer noch nicht in allen Bundesländern gibt, heißt es. Gegen die synthetischen Opioide hilft das Notfallmedikament Naloxon, das als Nasenspray auch durch medizinische Laien verabreicht werden kann. Mitarbeitende aus Einrichtungen der Drogen- und Aidshilfe sowie von Polizei- und Ordnungsdiensten sollten in der Anwendung sowie in speziellen Erste-Hilfe-Maßnahmen ausgebildet werden.

Mehr als 600 Mitarbeitende in Umgang mit Naloxon geschult

Die Grundlagen seien bereits gelegt: Naloxon wird von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Im Rahmen des Bundesmodellprojektes „NALtrain“ wurden bisher mehr als 600 Mitarbeitende aus 300 Suchthilfeeinrichtungen geschult und mehr als 1.000 HeroinkonsumentInnen und Substituierte mit Naloxon ausgestattet. Das gemeinsame Programm der Deutschen Aidshilfe, des Instituts für Suchtforschung in Frankfurt am Main sowie des Bundesverbands Akzept läuft noch bis Juni 2024.

Die Möglichkeiten, die Leben und Gesundheit opioidabhängiger Menschen schützen können, sind in Deutschland noch lange nicht ausgeschöpft: „Drogenkonsumräume und die Substitutionstherapie sind wissenschaftlich belegte Maßnahmen zur Überlebenssicherung“, sagt Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug bei der Deutschen Aidshilfe in Berlin. „Das Angebot der Substitutions- therapie sollte weiter ausgebaut werden. Drogenkonsumräume muss es endlich in allen Bundesländern geben.“ (rd/PM)