Krisen-Hotline
zieht erste Bilanz

Krisentelefonate tun in Zeiten verschärfter Isolation besonders Not. Foto: Robert Müller  / pixelio.de

Seit dem 16. März bietet der Verein Genesungsbegleitung und Peerberatung Hamburg (GBPH) e.V. eine Telefon-Hotline zur Bewältigung der  Corona-Krise für Menschen mit seelischer Erkrankung an. Das sei gut angenommen worden, so der Verein in einer ersten Zwischenbilanz. Daher wird bereits an Expansion gearbeitet: Für ein auf ein Jahr ausgelegtes längerfristiges Selbsthilfeprojekt wurde ein Spendenaufruf (s. unten) gestartet. 

Reiner Ott führt die Krisentelefone vom Wohnwagen aus. Der engagierte Psychiatrie-Erfahrene – er leidet nach eigenen Angaben an schweren depressiven Episoden –  lebt seit vier Jahren in den Sommermonaten auf einem Campingplatz im Osten von Hamburg, sagte er der Redaktion Kobinet  (Nachrichten der Kooperation Behinderter im Internet e.V). Dort fühlt er sich in dieser Krisenzeit offenbar besser als in seiner 23 Quadratmeter-Wohnung. 

Seit dem 16. März sind laut Vereinsbericht bis zum Stichtag 1. April sind innerhalb der täglichen zwei Stunden Telefonzeit insgesamt 43 Anrufe eingegangen. Meist rufen Frauen an, Schwerpunktstädte seien Hamburg  und Göttingen. Im Schnitt dauere ein Anruf ca. 20 Minuten. War der Beginn schleppend, rufen aktuell täglich 3 bis 5  Menschen aus ganz Deutschland an. Alter der Nutzer*innen: zwischen 31 und 82, „vornehmlich etwa 40 Jahre“. Unter den Themenschwerpunkten an erster Stelle steht Umgang mit Einsamkeit (32), gefolgt von Tagesstruktur  aufbauen und aufrechterhalten (28), Ängste (allgemein und bezogen auf das Virus), Depression/depressive Symptome (20) und  Umgang mit Psychopharmaka (2). 

Aktuell ist außerhalb der Sprechstunde und während der Gespräche ein Anrufbeantworter geschaltet. Menschen, die auf den AB sprechen, werden in der Hotline-Zeit zurückgerufen. Eine Rufweiterleitung an weitere verfügbare Genesungsbegleiter*innen werde baldmöglichst eingerichtet, um mehrere Gespräche zur selben Zeit zu ermöglichen.

Mailberatung wurde bisher nur von drei Menschen  genutzt, wobei ein Kontakt „nur” Fragen zum Projekt hatte, „bei den anderen beiden stand hauptsächlich das Mut-Zusprechen im Fokus“. Bei einer Person sollte aufgrund der Krise die Therapie enden, bei der anderen ging es um starke Verzweiflung. 

Der Verein vermutet, dass mit dem Ende der Corona-Pandemie in Deutschland das Leiden für Menschen mit einer psychischen Erkankung noch nicht beendet ist. „Ängste und Depressionen können sich zum Beispiel so verfestigt haben, dass noch lange Zeit eine Begleitung und Hilfe zu Aufarbeitung angeboten werden muss.“ Dabei dürften gerade dann die Wartezeiten auf Psychotherapie angesichts der großen Zahl an Menschen, die Hilfe benötigen,  noch zunehmen, meint der Vereinsvorstand.  Daher arbeiten die Genesungsbegleiter jetzt an einem auf ein Jahr ausgelegten Krisentelefon-Projekt. 

Dafür wurde jetzt auf dem Spendenportal betterplace eine neue Initiative gestartet. Gesucht werden Gelder für einen Mobilfunkvertrag, für ein Notebook mit Webcam und Mikrofon (für Video-Gespräche) sowie für einen Account für einen Videokonferenzen-Anbieter für unbegrenzte Teilnehmerzahlen. Denn: Über die Krisenberatung hinaus sollen künftig auch Fortbildungen in Resilienz und Empowerment angeboten werden. (rd)

Zu erreichen ist die Genesungsbegleitungs-Hotline von Montag bis Sonntag zwischen 17 und 19 Uhr unter der Telefonnummer: 0176 / 54 82 00 62. Wer nicht telefonieren möchte oder kann, erreicht die Mailberatung unter: mailberatung@genesungsbegleiter-hh.de. Angehörige können sich ab 18 Uhr an die Telfonnummer 0178 669 5266 wenden.