Leben nach dem Missbrauch

Detlev hat schlimmsten Missbrauch in seiner Kindheit in einem evangelischen Kinderheim erlebt. Copyright: ZDF/good karma productions/Arne Wolter

Als Kinder oder Jugendliche wurden sie Opfer von sexualisierter Gewalt und bleiben ein Leben lang gezeichnet. Das Erlebte bestimmt nach Jahrzehnten noch ihr Fühlen, Denken und Handeln. Die Reportage „37 ° – Nicht vergessen, nie vergeben”, die das ZDF am 8. Februar, 22.30 Uhr ausstrahlt, zeigt, wie Betroffene es schaffen, sich selbst zu helfen und das Erlebte zu verarbeiten. Ob im Sport oder im kirchlichen Kontext – es gibt sowohl hier wie da Strukturen und Konstellationen, die den Missbrauch zu begünstigen scheinen.

“Mein größter Traum war es, Priester zu werden.” Klaus Schmidt (48) lebt in Ahrweiler und war als Jugendlicher Messdiener. Die Kirche, die Religion und sein Glaube gaben ihm Halt und die Orientierung, die er in seiner Familie vergeblich suchte. Drei Priester an unterschiedlichen Orten nutzten ihre emotionale Macht über den jungen Mann aus, und am Ende zerbrach sein Traum vom Leben als Geistlicher. Eine Zeit lang war er Angestellter bei der Post, kann aber wegen seiner posttraumatischen Belastungsstörung seinem Beruf schon lange nicht mehr nachgehen.

Ulrike Breitbachs Leidenschaft war von Kindheit an die Leichtathletik. Schon früh galt sie als Talent, ging gern zu Wettkämpfen und wurde gefördert. Ihr Trainer hätte ihre Liebe zum Sport fast zerstört: “Diese Verbindung von emotionaler Erpressung und dem körperlichen so engen Kontakt, das war unerträglich.”

Über 20 Jahre erzählte sie niemandem etwas

Ulrike Breitbach (43) erzählte über 20 Jahre lang niemand etwas über die Geschehnisse auf und abseits des Trainingsplatzes. Aus Scham und auch aus Unsicherheit, was das Erlebte überhaupt war: “Ich hatte dafür gar keine richtigen Worte.” Sie lebt in Berlin, ist verheiratet und arbeitet heute als Mental Coach. Das Thema Missbrauch spielt auch in ihrem Berufsalltag eine Rolle, weil ihre Klient*innen, oft aus dem Bereich Sport, immer wieder davon berichten.

“Ich habe nur noch trockene Tränen geweint.” Detlev Zander (60) wurde in einem Kindereim jahrelang missbraucht und schwer misshandelt. Als er 14 Jahre alt war, wollte er sich das erste Mal das Leben nehmen. Jahrzehntelang verdrängte er das Leid, das er als Kind erlebte, bis er schließlich unter dieser Last zusammenbrach. Der frühere Krankenpfleger ist wegen seiner posttraumatischen Belastungsstörung schon seit Jahren arbeitsunfähig. Heute bezeichnet er sich als Aktivist und kämpft dafür, dass sich die evangelische Kirche ihrer Verantwortung stellt und die Taten, die unter ihrem Dach geschehen sind, aufklärt.

Warum schweigen Menschen ihr halbes Leben über das Erlebte? Wo sind Gemeinsamkeiten in den Institutionen, in denen der Missbrauch geschieht? Und wo beginnt er? “37°” erzählt die Geschichten dreier Menschen, deren Leben schon früh durch sexualisierte Gewalt erschüttert wurde, die sich heute engagiert zur Wehr setzen, ihr Leid öffentlich machen und für andere Missbrauchsopfer ihre Stimme erheben. (Original-PM ZDF)