Rapoport als
Serienärztin

Kinderärztin Ingeborg Rapoport (Nina Kunzendorf, l.) und Schwester Arianna (Patricia Meeden, r.) versorgen ein Baby im Brutkasten. © ARD/Stanislav Honzik

Die ARD zeigt seit dieser Woche sechs neue Folgen der Charité-Serie (3. Staffel) –  jeweils dienstags in Doppelfolgen um 20:15 Uhr und in der Mediathek.  Die dritte Staffel spielt in den Tagen des Mauerbaus: Die Charité wird in der Nacht zum 13. August 1961 zum unmittelbaren Grenzgebiet – wasserseitig werden die Gebäude zugemauert. Thematisiert wird eine weitere historische Umbruchphase, in der die Menschen nicht nur medizinisch gefordert sind, sondern auch politisch, moralisch und persönlich Haltung zeigen müssen, so die Ankündigung. Neben der – fiktiven – Hauptfigur  Ella Wendt (Nina Gummich),  einer jungen Ärztin, steht die Kinderärztin Dr. Ingeborg Rapoport (Nina Kunzendorf) im Fokus, die als Spezialistin der Säuglingsmedizin einen visionären Ansatz entwickelt, um die Säuglingssterblichkeit zu senken. Damit eckt sie immer wieder bei dem konservativ denkenden Gynäkologen Prof. Dr. Helmut Kraatz (Uwe Ochsenknecht) an.

Rapoport ist eine historische Figur mit einer faszinierenden Lebensgeschichte. Sie wurde 1912 als Ingeborg Syllm in der deutschen Kolonie Kamerun geboren und wuchs in Hamburg auf. Hier studierte sie auch Medizin, legte 1937 ihr Staatsexamen ab und schrieb ihre Dissertation, eine experimentelle Arbeit über Diphtherie. Allerdings wurde ihr der Dr. med. verweigert, weil ihre Mutter Jüdin war. 1938 emigrierte sie in die USA, arbeitete dort in verschiedenen Krankenhäusern, erwarb auch dank eines Stipendiums den Medical Doctor (MD) und spezialisierte sich auf das Fachgebiet der Pädiatrie. 1946 heiratete sie den österreichischen Biochemiker und Kinderarzt Samuel Mitja Rapoport, mit dem sie vier Kinder bekam. Als Mitglieder der Communist Party USA (Kommunistische Partei) bekam das Ehepaar in der McCarthy-Ära massive Probleme und kehrte 1950 aufgrund der politischen Verfolgung nach Europa zurück.

Feier zur Übergabe der Promtionsurkunde an Prof. Dr. Ingeborg Syllm-Rapoport. Rechts im Bild: der frühere Dekan Prof. Dr. Dr. Uwe Koch-Gromus. Foto: UKE

Ab 1952 fand die Familie in der Hauptstadt der DDR Arbeit und eine neue Heimat. Ingeborg Rapoport arbeitete zunächst als Ärztin, später wissenschaftlich als Aspirantin und konnte sich 1959 auf der Grundlage ihrer Forschungen habilitieren. Ab 1958 war sie an der Charité-Kinderklinik tätig und leitete dort die Säuglings- und Frühgeborenenstation, aus der sie allmählich eine Abteilung für Neugeborenenheilkunde entwickelte. Ab 1964 war sie zunächst Professorin für Pädiatrie und erhielt dann 1969 den Lehrstuhl für Neonatologie. Mit der Umstrukturierung der Charité-Frauenklinik 1970 zu einer Art Perinatalzentrum wurde der Lehrstuhl und die neugegründete Abteilung Neonatologie integriert. Bis zu ihrer Emeritierung 1973 entwickelte Ingeborg Rapoport ihre
Abteilung inhaltlich und strukturell mit dem Neuaufbau einer Station für Neugeborenen-Intensivtherapie und einer Forschungsabteilung (Schwerpunkte Hypoxie, Bilirubin, Surfactant) weiter. Damit gehörten auch die Forschungen in der Neonatologie und der Pädiatrie zu ihren Verdiensten.

Nach ihrer Emeritierung war Prof. Rapoport noch bis in die Achtzigerjahre hinein wissenschaftlich tätig und engagierte sich in der Nachwuchsförderung. Im Alter von 85 Jahren veröffentlichte sie ihr Buch „Meine ersten drei Leben“. Im Mai 2015 verteidigte sie erfolgreich ihre Doktorarbeit von 1938 vor drei Professoren der Universität Hamburg und bekam 77 Jahre nach dem Verbot durch die Nazis in einer feierlichen Zeremonie ihre Promotionsurkunde überreicht. Mit ihren damals 102 Jahren ist sie bislang der älteste Mensch, der jemals ein Promotionsverfahren abgeschlossen hat. (Quellen: rd, ARD, www.charite.de, www.aerzteblatt.de, www.wikipedia.de)

Im vorigen Jahr erinnerte auch ein Kolloquium am Hamburger UKE an das Wissenschaftler Ehepaar Rapoport – und an die DDR-Medizin: