Psychiatrie in der DDR

Patientenzimmer in der Klinik für Psychiatrie und Neurologie der Universität Jena, undatierte Aufnahme von 1958 Foto:FSU-Fotozentrum

Die „Fürsorgediktatur“ DDR agierte ambivalent: Einerseits wurden Dissidenten rücksichtslos verfolgt, andererseits legitimierte sich der Staat programmatisch mit humanistischen Idealen. „Die drei Bereiche Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie waren im DDR-Gesundheitssystem vielschichtiger und auch widersprüchlicher als gedacht“, fasst Prof. Dr. Bernhard Strauß die ersten Ergebnisse eines Verbunds von Forschern aus Jena, Dortmund, Rostock und Erlangen zu  „Seelenarbeit im Sozialismus“ zusammen, die am 5. und 6. Mai im Rahmen eines Online-Symposiums vorgestellt werden. 

Seit zwei Jahren wird – gefördert vom Bundesbildungsministerium – die Rolle von Psychiatrie, Psychotherapie und Psychologie als Teil des staatlich gelenkten Gesundheitssystems untersucht.  Das Gesundheitssystem galt stets als Vorzeige-Errungenschaft des Sozialismus. „Gleichzeitig galten bestimmte Disziplinen aber als Ort von kritischem Denken und möglichem Widerstand und wurden entsprechend argwöhnisch betrachtet“, heißt es in der Ankündigung.

Mit Zeitzeugeninterviews und Arhcivrecherchen wurde Fragen nachgegangen wie: Diente die Psychiatrie dazu, unliebsame politisch Andersdenkende wegzusperren? Wurden mithilfe der Psychologie Stasi-Mitarbeitende in Verhörmethoden geschult? Und wie ideologisch motiviert war die Psychotherapie? Oder gab es Freiräume, Nischen und sogar politische Widerstände?   

Eine Frage, die es bei dem Symposium zu diskutieren gelte, werde auch sein, „welche Themen und Strukturen im Rahmen des Beitritts bewahrt werden konnten und welche den gesellschaftlichen und politischen Veränderungen zum Opfer fielen“, so der Forschungskoordinator  Prof. Dr. Bernhard Strauß. Als Beispiel führte er die Psychotherapeutenausbildung an, die es in der DDR als Fachausbildung bereits gab, die im vereinten Deutschland aber erst 1999 eingeführt wurde. (rd)

Weitere Informationen unter: http://www.seelenarbeit-sozialismus.de/fileadmin/user_upload/Flyer_Symposium-Mai…

Einen ausführlichen Tagungsbericht lesen Sie in der nächsten EPPENDORFER-Printausgabe, die Anfang Juli erscheint.