Der Psychiater und Kunstwissenschaftler Hans Prinzhorn hat im Frühjahr 1922 sein bahnbrechendes Buch „Bildnerei der Geisteskranken“ veröffentlicht. Zwischen 1919 und 1921 erweiterte Prinzhorn die an der Heidelberger Universitätsklinik bereits bestehende „Lehrmittelsammlung von Irrenkunst“. Der Film Outsider Art – Prinzhorn in Heidelberg von Eberhard Reuß zeichnet die wechselvolle, spannende Geschichte der „Sammlung Prinzhorn“ nach und illustriert, wie diese zum Begriff und zur Inspiration für die Entdeckung der Kunst von Außenseitern, also der „Art Brut“ und „Outsider Art“ geworden ist. Zu sehen am Sonntag, dem 27.8.2023 von 17:30-18.30 Uhr im SWR-Fernsehen.
„Es ging Prinzhorn nicht darum, medizinische sondern kunsttheoretische Fragen zu klären”, heißt es in der Ankündigung. Und weiter: „Nach der Katastrophe des Weltkriegs suchten und entdeckten viele Kulturkritiker eine neue Intensität von Kunst bei „Wilden“ und „Irren“. Prinzhorn schickte Sammelschreiben an Heil- und Pflegeanstalten im deutschsprachigen Bereich. Sein Ziel war der Aufbau eines „Museums für pathologische Kunst“. Der Rücklauf war überwältigend: Bis zum Sommer 1921 verzeichnete man bereits 4.850 Werke von 450 „Fällen“. Doch der Traum von einem Museum zerschlug sich inflationsbedingt, Hans Prinzhorn verabschiedete sich nach Reibereien mit seinen Vorgesetzten.
Mindestens 40 Künstlerinnen und-Künstler wurden ermordet
Die Werke der Patientenkünstler – nur 20 % waren Frauen – dienten während der NS-Diktatur zur „psychopathologischen Beweisführung“, um die Kunst der Moderne als „entartet“ zu bezeichnen. Mindestens 40 der Patientenkünstlerinnen und -künstler wurden in den Euthanasie-Tötungsanstalten ermordet.
Die Sammlung verblieb bis heute im Besitz der Universitätsklinik Heidelberg – und hat die Verbrechen der Nazis und den Zweiten Weltkrieg überstanden. Die Patientenkunst ist durch das Buch von Hans Prinzhorn weltweit in Erinnerung geblieben. Bereits in den 20er Jahren verbreitete Max Ernst das Buch von Prinzhorn in Paris, wo es quasi zur „Bibel der Surrealisten“ wurde und damit langfristig den Blick auf Psychiatriepatienten und deren „Anstaltskunst“ verändert hat.
Es hat fast 80 Jahre gedauert, ehe die „Sammlung Prinzhorn“ im Jahr 2001 dann doch noch ein eigenes Museum erhalten hat. In einem ehemaligen Hörsaal der Heidelberger Universitätsklinik, dort wo Prinzhorn vor gut 100 Jahren mit seinem Buch „Bildnerei der Geisteskranken“ den Anstoß gab. Die „Sammlung Prinzhorn“ spiegelt den Umgang mit Psychiatriepatienten und wächst weiter, umfasst inzwischen mehr als 40.000 Arbeiten, auch dank zahlreicher Schenkungen und Ankäufe. Heute gilt die in Heidelberg vereinte Patientenkunst als Wegbereiter und gewichtiger Teil für die Kunst von Außenseitern, als für „Art Brut“ und „Outsider Art“. ” (rd/&PM SWR)