Nach Abschiebung aus
Psychiatrie: Land ändert Erlass

Künftig in Schleswig-Holstein keine Krankenhauspatienten mehr abzuschieben, bezeichnet Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß in einer Pressemitteilung als „überfälligen Schritt”. Er reagiert damit auf die heute vom Sozialministerium veröffentlichte Änderung des Rückführungserlasses. Demnach verhindert ein Krankenhausaufenthalt künftig die Abschiebung von ausreisepflichtigen Menschen. Hintergrund war die Abschiebung einer aus Tunesien stammenden Frau am 3. August aus dem Psychiatrischen Krankenhaus in Rickling.

Landespastor Heiko Naß: „Es ist richtig, kranke Menschen, die sich in einer stationären Behandlung befinden, nicht mehr abzuschieben. Es kann nicht sein, dass Patienten diesem Verfahren ausgesetzt werden. Hier muss die ärztliche Diagnose Vorrang haben. Erst nach der Entlassung durch den behandelnden Arzt darf ein Abschiebeverfahren, sofern erforderlich, wiederaufgenommen werden. Die Änderungen am Rückführungserlass durch das Sozialministerium geben nun den betroffenen Menschen, aber auch den Mitpatienten und der Belegschaft in den Krankenhäusern mehr Sicherheit. Die Abschiebung der Frau aus dem Psychiatrischen Krankenhaus in Rickling hat dort für große Unruhe gesorgt und sich destabilisierend auf einige Mitpatienten ausgewirkt.“

In einem vom Sozialministerium überarbeiteten Erlass, der überraschend schnell, am 10. August, in Kraft getreten ist, wird klargestellt, dass ein stationärer Krankenhausaufenthalt einer „vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländerin oder eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers im Regelfall ein Abschiebungs- oder Überstellungshindernis” darstellt.

Wegen der Abschiebung war für den heutigen Donnerstag ab 18 Uhr eine Demonstration auf dem Europaplatz in Kiel geplant. Derweil laufen in Schweden die Abschiebungsvorbereitungen für die Frau weiter. Diese soll in den Hungerstreik getreten sein, berichtete der shz. (rd)

Frau nachts aus psychiatrischer Klinik abgeschoben

Am 9. August berichteten wir:

In Rickling ist eine 37 Jahre alte Frau aus Tunesien mitten in der Nacht aus einer psychiatrischen Klinik abgeschoben worden. Das berichtete der NDR. Flüchtlingsbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein und der Nordkirche äußerten sich entsetzt und forderten, Abschiebungen aus Krankenhäusern zu verbieten. 

Nach Angaben von Dietlind Joachims von der evangelischen Nordkirche war die Frau in Rickling, weil sie versucht hatte, sich das Leben zu nehmen als sie von der bevorstehenden Abschiebung erfuhr. Sie sei in Tunesien wegen ihrer Homosexualität verfolgt worden und zunächst nach Schweden geflohen,  wo ihr Asylantrag abgelehnt worden sei. Im vergangenen Jahre sei sie weiter nach Deutschland bzw. Schleswig-Holstein geflohen. 

Inzwischen soll sie sich in einem schwedischen Abschiebegefängnis befinden. Das Land war vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für zuständig erklärt worden. Eine Sprecherin des Sozialministeriums  erklärte auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein, laufende medizinische Behandlungen oder der Aufenthalt in einer Klinik seien “für sich genommen noch kein Grund, von einer Abschiebung abzusehen“. 

„Eine psychiatrische Klinik, wo Menschen gesunden wollen, kann offenbar nicht mehr als sicherer Ort empfunden werden”, sagte Dietlind Jochims von der Nordkirche. Sie fordert laut NDR einen Erlass, wie es ihn in anderen Bundesländern gebe: Ausländerbehörden in Rheinland-Pfalz und Thüringen zum Beispiel dürften dort keine Abschiebungen aus Krankenhäusern mehr vornehmen. Das Kieler Sozialministerium will dies prüfen und gegebenenfalls anpassen. (rd)