Nach 5000 Visiten ist Schluss

Dr. Hans-Peter Unger an seinem Hamburger Schreibtisch, den er Ende Februar räumte. Foto: Hinrichs

Nach mehr als 5.000 Visiten und 2.000 Fallbesprechungen hat sich Dr. Hans-Peter Unger am 28. Februar in den Ruhestand verabschiedet. Seit dem 1. Februar 1997 führt er das Zentrum für seelische Gesundheit am Asklepios Klinikum Harburg als Chefarzt. „Der renommierte Mediziner hat die Abteilung aufgebaut und ihren Ruf weit über Hamburg hinaus begründet”, teilte Asklepios mit. Unter ihm habe sich die Zahl der jährlich stationär behandelten Patienten seit dem Start der Abteilung Ende 1996 bis heute mehr als verdoppelt, die ambulanten Angebote seien enorm gewachsen – neben 168 Betten bietet die Abteilung heute 130 teilstationäre Plätze, und in der Institutsambulanz werden 3.000 Patienten im Quartal behandelt. Nachfolger von Unger wurde PD Dr. Daniel Schöttle vom Universitätsklinikum Eppendorf.

Unger habe seine Abteilung von Anfang an nach dem Credo „Psychiatrie für jeden Harburger“ anbieten zu können aufgebaut. Bis dahin mussten alle psychiatrischen Patienten, die nicht ambulant oder tagesklinisch behandelt werden konnten, nach Ochsenzoll. Neben dem stationären Angebot setzte Unger von Beginn auf die Ambulantisierung der Psychiatrie – gemeinsam mit seinem Team baut er Stadtteiltageskliniken in Harburg, Neugraben und Wilhelmsburg auf. Parallel betrieb der gebürtige Gütersloher unermüdlich Netzwerkarbeit im Bezirk, gründete das Harburger Bündnis gegen Depression und habe zuletzt die Stationsäquivalente Behandlung eingeführt – ein mobiles Team aus Psychiatern, spezialisierten Pflegekräften und Therapeuten, das Patienten in  ihrem häuslichen Umfeld versorgt.

Wirkungskreis weit über die Grenzen des Stadtteils hinaus

„Ich habe meinen Beruf über die Jahrzehnte immer gerne gemacht – für mich ist es spannend, gemeinsam mit den Patienten Lösungen für Krisen zu finden. Psychiatrie ist Handwerk: die existentielle Begegnung mit Menschen, eine haltende Beziehung auch in schweren Krisen herzustellen, das fasziniert mich. Manche Patienten begleite ich seit mehr als 20 Jahren, das sind jetzt besondere Abschiede“, so der Mediziner. Viel hat sich Unger in seiner Karriere mit der sich verändernden Arbeitswelt beschäftigt, hat mit Asklepios Connecting Health ein Angebot etabliert, das die psychische Gesundheit von Arbeitnehmern im Fokus hat. Ein großes Forschungsprojekt, an dem er auch weiterhin federführend mitwirken wird, beschäftigt sich mit der Wiedereingliederung in die Arbeitswelt  nach einer psychischen Erkrankung. 

Zukünftig werde der Perspektivwechsel noch wichtiger, so Unger: „Die unterschiedlichen Bedürfnisse und Ansprüche der Patienten lassen sich nicht nur mit Diagnoseschlüsseln abbilden. Die Psychiatrie wird die Angebote mehr aus Sicht der Patienten und weniger aus Sicht der Institutionen denken, um dem gerecht zu werden. Denn, davon bin ich überzeugt: Keiner kann alles alleine. Die Versorgung von psychiatrischen Patienten ist nur gut vernetzt möglich – mit meinem Nachfolger Privatdozent Dr. Daniel Schöttle wird das optimal gelingen“, verabschiedet sich der Chefarzt aus Harburg. (rd/PM Asklepios)

Einen ausführlichen Eigenbericht über eine „Sektorfahrt” mit dem scheidenden Chefarzt lesen sie in der jüngsten Printausgabe 1/22.