Über 300 Fachleute nahmen an einem Symposium des Bereiches Junge Erwachsene im Klinikum Wahrendorff bei Hannover teil. Das Klinikum bietet bereits seit sechs Jahren mit der Transitionspsychiatrie therapeutische Konzepte für junge Menschen zwischen 16 und 28 Jahren an, die zunehmend nachgefragt werden.
Der amerikanische Psychologe Jeffrey Jensen Arnett schuf bereits im Jahr 2000 für diese Entwicklungsphase den Begriff „Emerging Adulthoods“, geprägt von einer zunehmenden Identitätssuche, häufig verbunden mit hoher Instabilität und einem erhöhtem Risikoverhalten sowie einem relevanten Anstieg von Kriseninterventionen. Laut Arnett kristallisiert sich eine neue Zwischenzeit heraus, eine eigenständige Phase vom späten Jugendalter bis zum Ende der 20er Jahre, die eigenständig betrachtet werden sollte, nicht als verlängerte Adoleszenz. Viele der Mittzwanziger fühlen sich heute noch nicht als Erwachsene.
„Der Übergang vom Jugend- in das Erwachsenenalter ist eine abgrenzbare Entwicklungsphase, die mit spezifischen Aufgaben und Charakteristika verbunden ist, die einer eigenen therapeutischen Begleitung bedarf“, so Maria Elena Esteban Vela, Leitende Ärztin Junge Erwachsene. „Sie ist eben nicht eine Mischung aus der Behandlung von Kinder-, Jugendlichen- und Erwachsenenpsychiatrie, sondern ein selbständiger Bereich mit eigenen Themen, wie vor allem der Entwicklung der eigenen Identität, dem Experimentieren und Explorieren in den Bereichen Liebe, Sexualität, Arbeit und Wertvorstellungen.“
So zahlreich die Herausforderungen und Möglichkeiten in dieser Altersphase sind, so vielfältig seien die therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten. Integrative Behandlungsmodelle seien dabei aus ihrer Sicht die richtige Wahl, so Esteban Vela weiter, sehen sie doch den Menschen in Gänze. Als Beispiel beschrieb sie die von Prof. Hilarion Petzold entwickelte Integrative Therapie, die Verhaltenstherapie, Psychoanalyse und Humanistische Verfahren (Psychodrama und Gestalttherapie) verbindet und Kognition, Emotion und Verhalten anspricht.
Dr. med. Verena Bonnet, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in Gießen, stellte in ihrem Vortrag „Beziehung schafft Identität: Die Bedeutung gelingender Interpersonalität in der Psychosen-Psychotherapie“ unter anderem das instabile Kernselbst der Patienten in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Sie machte deutlich, dass ein „Mit-Sein“, „Dazugehören“ oder auch das wichtige „Sich-Abgrenzen“ bei einem instabilen Kernselbst bedrohlich und nicht möglich ist. Umso bedeutender sei die therapeutische Haltung in einer sich logisch erschließenden Behandlungspraxis. Toleranz, Respekt und Einfühlungsvermögen seien essentiell, um einen Freiraum für Entwicklung und Entfaltung zu schaffen.
Ebenfalls aus Gießen war Dr. med. Terje Neraal, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Psychosomatik und Psychoanalytiker, angereist. In seinem Beitrag „Wenn Symptome von jungen Erwachsenen eine Bedeutung in den familiären Beziehungen bekommen“ illustrierte er einen Fall eines paranoid-psychotischen jungen Erwachsenen, der sich weigerte das Essen seiner Mutter anzunehmen, in dem Glauben diese wolle ihn vergiften. Die Vergiftungsängste waren massiv und hatten bereits zu einem großen Gewichtsverlust und einer Magersucht geführt. Nach dem Modell „Patient Familie“ zeigte Neraal eindrücklich auf, wie eine Reifung innerhalb der familiären Beziehungen zu einem Verzicht der psychotischen Beziehungen führte.
Bewegend, emotional mit Pianointonation führte David Marin Vargas, Dipl. Musiker, Master of Arts Musiktherapie und Musiktherapeut am Klinikum Wahrendorff in seinen Vortrag ein. „Musik drückt aus, was nicht gesagt werden kann“, zitierte er Victor Hugo und berichtete unter dem Titel „Musik? Wozu? Ich will nur klar kommen!“ anschaulich über die Gefühlswelten der jungen Erwachsenen und dem „innerlichen Erleben.“ Die Erfahrung in der musiktherapeutischen Praxis hat im Klinikum Wahrendorff insbesondere zu genderspezifischen Musiklaboren geführt, die von den jungen Erwachsenen sehr gut angenommen werden.
(Quelle: Klinikum Wahrendorff/P. Perleberg)