Charité:
Medizin 2049

Gefilmt wurde im neuen und stark begrünten Clinical Center Champalimaud in Lissabon. Foto: ARD/MDR/ARD Degeto/Arte/Ufa Fiction

Deutschland steht noch, aller kriegerischen Auseinandersetzungen auf der Erde zum Trotz. Und die schöne neue Welt ist wirklich schön, jedenfalls in Staffel 4 der Serie Charité – und was die Krankenhausarchitektur angeht. Einzig die vielen Meldungen über Brände und Hitzewellen stören das helle Bild und weisen auf den Science-fiction-Charakter. Schließlich spielt das Ganze im Jahr 2049. Medizinisch im Mittelpunkt steht ein schon jetzt aufgehender Stern am Himmel der Medizinforschung: Das Mikrobiom – das komplexe Zusammenspiel unzähliger Bakterien im menschlichen Körper.

Leitfrage für die Stoffentwicklung war, für welchen medizinischen Durchbruch es in 35 Jahren einen Nobelpreis geben könnte. Dass die Wahl auf das Mikrobiom fiel, lag auch an der Empfehlung beratender Wissenschafter, einer davon: Fachberater Prof. Andreas Diefenbach, Leiter des Instituts für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité.

Klimafolgen, Hitze und Diversität

Die Serie spielt im Berliner Sommer. Bewohnerinnen erleben Hitze mit Temperaturen bis 45 Grad. Die Gesellschaft ist divers – sowohl, was die Hautfarben und Herkunft der Mitarbeiterschaft angeht, als auch bezüglich der Lebensformen. Die Hauptfigur – die Mikrobiologin und Institutsleiterin Dr. Maral Safadi – ist mit einer Gynäkologin verheiratet. Ihr Patient lebt in einer selbstverständlichen ehelichen Dreierkonstellation.

Derweil ist die Charité weiter Hochburg medizinischer Exzellenzforschung in einer Zeit, in der Krebsimpfungen, Alzheimerfrüherkenung, Operationen per Roboter und Telemedizin Standard geworden sind. Statt per Bild zu telefonieren, steht man sich als lebensechte Avatare gegenüber. Kehrseite des Ganzen – und Anlass für Demonstrationen – ist eine neue Gesundheitsreform, die spaltet: Die Krankenkassen erstellen für jeden Menschen einen „Score-Wert“ und sammeln Daten über Nutzung z.B. von Präventions-Angeboten zum Beispiel. Wer nicht genug Vorsorge betreibt, bekommt im Ernstfall keine OP …

Locked-In-Patienten können sich im digitalen Cyberverse frei bewegen

Viele medizinische Probleme wurden bis 2049 überwunden, bis auf den Tod. Es gibt Neurostimulation gegen Depressionen und Locked-In-Patienten, die sich im digitalen Cyberverse frei bewegen können. Implantierte Chips können Epilepsie unterdrücken, Organe werden künstlich gedruckt. Dank KI gibt es keine Sprachprobleme mehr. Ein Neurotechnologe bringt ein Kind mit psychogener Lähmung zum Laufen, indem er sie mittels einer neuen Traumatherapie behandelt, bei der sich das Kind im Cyberverse einem schlimmen Erlebnis stellt.

Dafür entstehen neue Herausforderungen. Etwa durch Mikroplastik und durch Klimaveränderungen. Im Mittelpunkt stehen gefährliche Paläo-Bakterien, also Bakterien, die in vielen Millionen Jahre alten Schichten des Erdmantels lagern und in Folge der Erderwärmung die Menschheit bedrohen.

Gedreht wurde in Portugal

Eine Kernfrage des Gesundheitssystem wird auch schon heute im Ansatz diskutiert. Produzentin Henriette Lippold: „Und so stellt sich für alle unsere Figuren bald die Frage, wie Mitmenschlichkeit gelebt werden kann, wenn medizinische Topbehandlungen nur noch denen zur Verfügung stehen, die eigenverantwortlich für ihre Gesundheit sorgen, und dabei aber mehr und mehr Menschen aus dem Raster fallen oder vor Klimabedrohungen zu uns flüchten.

Anstatt eine Dystopie zu entwerfen, entschied sich das Team trotz aller Probleme für eine Utopie. Und dafür steht auch der Drehort. Gefilmt wurde in Portugal, im nagelneuen und stark begrünten Clinical Center Champalimaud in Lissabon. In das möchte man als Patientin sofort einziehen. Zur Vorsorge natürlich. (hin)