Maßregelvollzug: DGSP
fordert Baustopp

Behandlung hinter Gittern: Im Maßregelvollzug werden straffällig gewordene Patienten untergebracht, die wegen ihrer psychischen Erkrankung oder Suchtproblemen als schuldunfähig bzw. vermindert schuldfähig gelten. Symbolfoto: pixabay

Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) fordert einen sofortigen Baustopp geschlossener Maßregelvollzugseinrichtungen. Zugleich kritisiert sie in einem Appell an die Justiz-, Sozial- und  den Gesundheitsministerien der Länder „den anhaltenden Trend der Wucherung einer forensischen Parallelstruktur innerhalb der psychiatrischen Versorgungslandschaft in Deutschland“. Hintergrund: Allerorten platzen die Einrichtungen, in denen psychisch kranke und/oder suchtkranke Straftäter untergebracht und behandelt werden aus den Nähten, vielerorts werden Erweiterungen gebaut oder geplant. Im Vorjahr hatte der Verband bereits „eine grundlegende Transformation“ des Maßregelvollzugs und de facto seine Abschaffung gefordert. Geht es nach der DGSP, würde die Psychiatrie in Zukunft „von hoheitlichen Aufgaben und Schutzpflichten entbunden“,  die psychiatrische Versorgung aller StraftäterInnen würde in Gefängnissen stattfinden. 

Jeder fünfte stationäre psychiatrische Behandlungsplatz befinde sich mittlerweile hinter Mauern oder Stacheldraht. Während etwa 55.000 Betten in der Allgemeinpsychiatrie zur Verfügung stünden, gebe es bereits ca. 11.000 stationäre Plätze zur Sicherung und Behandlung in den Maßregelkliniken, rechnete der Verband jetzt vor. 

„Unterbringungswelle maßgeblich von Erfahrungen

mit Sucht, Psychose und Migration getragen”

Die Hintergründe drückt er so aus: „Die parallel zu Problemen des Maßregelrechts geführte Debatte um eine Stärkung von Autonomie und um die Reduktion von Zwang wurde mit der fortgesetzten »Verlagerung« bestimmter Probleme und der sie auslösenden Personen in den Maßregelvollzug konterkariert. Die in den letzten Jahren zu beobachtende Welle von Unterbringungen in die forensisch-psychiatrischen Kliniken ist nach Analyse der DGSP maßgeblich getragen von Erfahrungen der Betroffenen mit Sucht, Psychose und Migration.“ 

Aber statt den Bereich geschlossener stationär-psychiatrischer Versorgung „im Parallel- und Schattensystem der forensischen Psychiatrie“ weiter auszubauen, fordert die DGSP die Fortsetzung des angestoßenen Umdenkprozesses. Die  beginnende Krise durch die Überfüllung der forensisch-psychiatrischen Kliniken bei gleichzeitig unüberwindbarer Personalnot sollte als Chance für umfassendere Reformen genutzt werden, so der Verband. Vorschläge dafür solle eine Sachverständigenkommission vergleichbar der Psychiatrie-Enquȇte-Kommission in den 1970er Jahren entwickeln, zu deren Berufung der Bundesjustizminister bzw. der Bundestag aufgerufen wird. (hin)