Mehr Krömer geht kaum. Vor etwas mehr als einem Jahr entstand in der Sendung „Chez Krömer“ ein beeindruckendes Gespräch über Depressionen zwischen den Comedians Torsten Sträter und Kurt Krömer, der sich in der Sendung erstmals als Betroffener outete. Für die Sendung gab es jüngst den renommierten Grimme Preis. Inzwischen folgte ein Gegenbesuch Krömers bei Sträter mitsamt Gespräch über die aktuelle Gemütslage, ein Besuch des Psychiaters und Autors Jakob Hein bei „Chez Krömer“, wobei es um die Psychiatrie ging – beide sind seit langen Jahren befreundet. Und jetzt stellte sich Krömer auch noch im „Spiegel-online“-Spitzengespräch den Fragen von Markus Feldenkirchen. Dort erklärte er, er würde gern die nächsten Jahrzehnte weiter über Depressionen sprechen – weil das soviel Sinn mache. Bester Beweis scheint der enorme Erfolg seines Buches „Du darfst nicht alles glauben, was Du denkst“ zu sein, das seit Wochen die Bestsellerlisten anführt.
Kurt Krömer heißt eigentlich Alexander Bojcan und wurde 1974 geboren. Man kennt ihn als Komiker und Schauspieler, vor allem als eher nicht so netten Gastgeber von „Chez Krömer“, wo er ausgewählte Promis in seinen „Verhörraum“ lädt. Man kannte ihn lange nicht als Depressiven. Als bekennender solcher stürmte er inzwischen mit seinem im Verlag Kiepenheuer & Witsch erschienenen Bekenntnisbuch „Du darfst nicht alles glauben, was Du denkst“ die Bestsellerlisten.
Anschließend erreichten ihn Tausende von Nachrichten und Hilferufe
Das Buch würde es wohl kaum ohne Comediankollegen Torsten Sträter geben. Als dieser in einer „Chez Krömer“-Folge über seine eigenen Depressionen sprach und Krömer sich daraufhin selbst outete, erreichten ihn anschließend Tausende von Nachrichten. Facebook- und Instagram-Seiten „explodierten“. Den Comedian erreichten Hilferufe, die ihn hilflos machten. Menschen, die ihm schrieben: „Ich habe keine Lust mehr zu leben.“ Das habe ihn fix und fertig gemacht. Und so keimte die Grundidee auf, „… dass ich meine Geschichte aufschreibe und Menschen sich darin vielleicht wiederentdecken.“ Vielleicht könne er nicht akut helfen, denkt er, aber was er kann, ist seine Geschichte erzählen.
„Der Alkohol war dazu da gewesen, die Depression wegzuschieben.”
Das gelingt Krömer sehr authentisch und indem er die Leser sehr direkt, teils mit Euch anspricht – und somit direkt reinzieht in sein überschattetes Promileben. Ist er doch schon seit zehn Jahren trockener Alkoholiker. Gesund machte ihn die Trockenheit noch nicht. 2020 checkte er acht Wochen in einer ambulanten Klinik ein, um seine Depressionen behandeln zu lassen („… so wie es aussieht, war ich mehr als dreißig Jahre lang depressiv). Er stellt u.a. fest: „Der Alkohol war dazu da gewesen, die Depression wegzuschieben.“
Aber das ist noch nicht alles an Outings: Sehr offen schreibt er auch über seine Impotenz als Nebenwirkung der Depression. Über seine Rolle als alleinerziehender Vater dreier Kinder. Als funktionierender Humorarbeiter, der abends zuhause dachte: „Ich bin ein alter verbitterter Mann, der im Leben nicht klarkommt … und der einfach das letzte Arschloch ist.“ Er beschreibt sich als ängstliches Kind voller Angst vor dem Alkoholiker-Schlägervater. Und als privat Versicherten, mit zweifelsohne besserem Zugang zu Hilfen, wie er selbst zugibt. Und als Patient mit einer Höllenangst vor einer Klinik. Die hilft ihm offenbar gut, aus der Krankheit herauszukommen. Jetzt hofft er, anderen den Weg zur Hilfe zu ebnen, indem er „die Hosen“ runterlässt, nichts schön redet und der Krankheit ein Gesicht gibt. Und das ist richtig gut. (hin)