Um eine wahre Geschichte rund um Schamanismus und Trance geht es in dem Film „Eine größere Welt”, der heute in den Kinos anläuft.
Eine größere Welt – das ist es, was Corine entdeckt, als sie in der Mongolei während eines schamanischen Rituals in Trance fällt. Dabei war die Französin nur in die abgelegene Steppenregion gekommen, um im Rahmen ihrer Arbeit ethnographische Tonaufnahmen zu sammeln. Doch die Schamanin Oyun offenbart Corine, dass sie eine seltene Gabe besitzt, die ausgebildet werden muss. Zurück in Frankreich lassen die Erlebnisse in der Mongolei Corine nicht mehr los. Trotz des Widerstandes ihrer Familie kehrt sie in die Steppe zurück und begibt sich auf eine spirituelle Reise auf alten und vergessenen Wegen. Eine Reise, die ihr Leben und ihre westeuropäische Sichtweise für immer verändern wird.
Fabienne Berthaud (BARFUSS AUF NACKTSCHNECKEN) verfilmte mit dem Kinostar Cécile de France (L’AUBERGE ESPAGNOLE) die wahre Geschichte von Corine Sombrun, die diese im Buch „Mein Leben mit den Schamanen“ (Goldmann Verlag) verarbeitet hat. Nach ihrer Ausbildung in der Mongolei arbeitet Sombrun heute mit Neurologen und Gehirnforschern zusammen, um die mentalen Mechanismen hinter den Trancezuständen zu verstehen und z. B. für therapeutische Zwecke zu nutzen.
Was ist Trance?
Dazu heißt es im Presseheft zum Film: „Der Begriff ,Trance’ beschreibt einen durch unterschiedliche Techniken herbeigeführten Zustand zwischen Wachen und Schlafen, der das Unbewusste aktiviert und zugänglicher werden lässt. Das Bewusstsein wird im Gegenzug eingeschränkt und äußere Reize werden reduziert oder gar nicht mehr wahrgenommen.
Ein tranceartiger Bewusstseinszustand lässt sich dabei sowohl körperlich als auch neurologisch feststellen. Ein EEG-Test verzeichnet im Trance-Zustand des Probanden beispielsweise andere Gehirnströme als im wachen Zustand. Die Vitalfunktionen des Körpers werden heruntergefahren, wobei optische, somatische und akustische Wahrnehmungsverzerrungen bis hin zu Halluzinationen auftreten können. Trancezustände können sich dabei ganz unterschiedlich äußern, beispielsweise kann bei der „Schamanischen Reise“ der Geist des Schamanen jeweils mit anderen – auch tierischen – Geistern in Verbindung treten.
Dieses „Versinken im eigenen Inneren“ kann über unterschiedliche Herangehensweisen erreicht werden, z. B. über Hypnose, Meditation, Substanzeinnahme, autogenes Training und schamanische Techniken. Viele Kulturen machen sich u. a. repetitive Muster zunutze, um über Tanz-, Gesangs- und Trommelriten einen Trancezustand einzuleiten. Der Zweck dieser Praktik ist dabei vorrangig das Erreichen persönlichen Wachstums. Auch soziale Aspekte spielen eine Rolle.
Trance, Schamanismus & die Forschung
Seit ihrer „Initiierung bei den Schamanen“ setzte sich Corine Sombrun zusammen mit Wissenschaftlern der Kognitions- und Neurowissenschaft mit dem Ursprung und den Implikationen schamanischer Bewusstseinszustände (SBZ, engl. SSC) auseinander. Hierzu untersuchte sie unter anderem die musikalischen Rhythmen der mongolischen Schamanenkultur und arbeitete diejenigen Muster heraus, die sich als besonders tranceinduzierend erwiesen haben. Zusammen mit der Forscherin Elie D. Lequemener reproduzierte sie diese Muster digital. Die so erzeugten Klangschleifen nutzte Sombrun für ein wissenschaftliches Experiment in Zusammenarbeit mit einer Gruppe französischer Studenten. Innerhalb der Versuchsreihe wurden die Studenten den repetitiven Klangmustern ausgesetzt. Die Mehrheit der Probanden reagierte mit tranceartigen Zuständen. Dies veranlasste Sombrun zu der Annahme, dass Trance als erforschbares Feld ein hohes wissenschaftliches wie auch individuelles Potenzial hat und das Erreichen einer Trance nicht nur Schamanen vorbehalten ist.
Sombrun unterzog sich weiterhin selbst wissenschaftlichen Tests, in denen sie unter psychopathologischen Gesichtspunkten auf ihre Fähigkeiten hin untersucht wurde. Im Fokus der Untersuchungen stand dabei auf der einen Seite die pathologische Ein- und Abgrenzung von Trance. Hier sollte vor allem erkennbar gemacht werden, welche Zustände auf psychische Anomalien zurückzuführen sind und welche Bewusstseinsstadien bei einem psychisch gesunden Menschen mit der Trance erreicht werden können.
Auf der anderen Seite wurden die EEG-Aufzeichnungen von Sombruns Gehirnströmen in verschiedenen Trancephasen ausgewertet. Diese Erkenntnisse sollen Schlüsse auf generelle Gehirnmechanismen ermöglichen und zu einer einheitlichen Selbsterfahrung beitragen.
Dabei wurden im Limbischen System von Corine Sombrun – die den Trancezustand jederzeit frei auslösen und verlassen kann – während der Testphasen konkrete Auswirkungen festgestellt. Dazu zählen u. a. eine Dominanzverlagerung zugunsten der rechten Hemisphäre, erhöhte Amplituden von Theta-Wellen, erhöhte Gamma-Leistungen, Synchronisierung der Frontallappen-Aktivitäten und eine allgemeine Verschiebung in der Dominanz des Parasympathikus. Im subjektiven mentalen und körperlichen Befinden äußern sich diese Frequenzen u. a. in gesteigerter Entspannung, Wachsamkeit, Kreativität und Assoziationsfähigkeit, aber auch in einem Gefühl der Glückseligkeit bis hin zur Ekstase und verminderter Schmerzwahrnehmung. Diese Erfahrung kann nachgewiesenermaßen begleitet sein von visuellen Bildimpressionen, dem Verschwimmen der Ich-Wahrnehmung und einer veränderten Informations- oder Erinnerungsverarbeitung.
Trance als Potential für neue Therapien?
An derartigen Tranceerfahrungen haftet in der westlichen Gesellschaft und Wissenschaft häufig ein esoterischer bis pathologischer Ruf, jedoch könnten sich diese Techniken nach Ansicht von Spezialisten besonders in der Psychiatrie als nützlich erweisen. Bei verwandten alternativen Behandlungsmethoden wie Achtsamkeitsübungen, Hypnotherapie und Meditation, kann bei Patienten mit z. B. Angst- und Traumastörungen bereits eine Wirksamkeit verzeichnet werden. Auch die Trance bietet neue Ansätze für Bewältigungs- und Verarbeitungstherapien. Ein gesteigertes Verständnis der Psychobiologie von Trancezuständen könnte demnach – auf Basis der ersten Testversuche – einen Beitrag zur persönlichen sowie gesellschaftlichen Entwicklung leisten und als wichtiges therapeutisches Behandlungs- instrument dienen.” (Quelle: Presseheft)
Und hier geht’s zum Trailer. Außerdem wurde zum Filmstart eine Zeitung mit Hintergrundberichten ins Netz gestellt.