Mitten in der Kieler Fußgängerzone steht ein rotes Sofa unter einem orangenen Sonnenschirm, bunte Fahnen wehen im Sommerwind: Farbenfroh lädt das Kieler Fenster zu Gesprächen über „Zuversicht in Krisenzeiten“ ein – so lautet das Motto zum Auftakt der Kieler Woche der Seelischen Gesundheit. Noch bis Sonnabend, 10. Juni, finden überall in der Stadt Vorträge, Beratungen oder Tage der offenen Tür statt.
Mit dabei sind unter anderem das Zentrum für integrative Psychiatrie (ZiP), das Amt für Gesundheit mit dem Sozialpsychiatrischen Dienst und die Alzheimer Gesellschaft Schleswig-Holstein. Viele spannende Angebote, findet Daniel Hoppmann, Sprecher des Kieler Fensters. „Aber da müssen die Menschen immer in die Einrichtungen kommen. Wir haben gedacht, wir kommen einfach dahin, wo viele Menschen sind, die bisher keine Berührungen mit Psychiatrie hatten.“
„In die Natur gehen und dort Kraft sammeln”
Eine ältere Dame bleibt neben den bunten Fahnen stehen und kommt mit Hinnerk Berger ins Gespräch, der zum Team des Kieler Fensters gehört. Sie mache sich Sorgen um den Klimawandel, berichtet sie. Aber sie hat auch einen Rat, der ihr in Krisenzeiten hilft: In die Natur gehen und dort Kraft sammeln. Berger schreibt den Tipp auf einen Zettel, der an einer Pinnwand landet. „Dass ich mal in der Öffentlichkeit stehe und so etwas machen, hätte ich vor ein paar Jahren nicht gedacht“, sagt er. Berger ist selbst psychiatrieerfahren, im Kieler Fenster engagiert er sich in Selbstvertretung und ist auch in der Arbeitsgemeinschaft Handlungsplan (AGH) aktiv.
Über psychische Probleme reden, über Angebote informiere und die Stigmatisierung beenden, darum geht es bei der Woche der Seelischen Gesundheit. In Kiel wird sie vom Sozialpsychiatrischen Dienst organisiert. Es gibt jeden Tag Veranstaltungen ganz unterschiedlicher Art. Darunter ist ein Spielplatzfest am Schwanenseepark am Mittwoch oder ein Gedächtnistraining am Donnerstag.
Kritik: „Bei der Auftaktveranstaltung sind Betroffene nicht beteiligt”
Aber Christian Sach, ebenfalls bei der Arbeitsgemeinschaft Handlungsplan aktiv, sieht die Veranstaltung auch kritisch: „Bei der Auftaktveranstaltung sind Betroffene nicht beteiligt.“ Tatsächlich sprachen bei der Feierstunde im Rathaus am Montag der für Soziales zuständige Stadtrat Gerwin Stöcken (SPD) als Vertreter der Stadt und Rüdiger Hannig, Vorsitzender des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker, aber niemand der Betroffenen. „Wir als AGH haben signalisiert, dass wir zwar zeitlich eingeschränkt sind, aber dennoch Gewehr bei Fuß stehen – es kam aber niemand auf uns zu“, sagt Sach.
Auf den Sonnenschirm in der Kieler Fußgängerzone kamen zum Start der Woche der Seelischen Gesundheit eine ganze Menge Interessierte zu, Hoppmann, Berger und Jens Wank führten eine Reihe von Gesprächen. Allerdings nahm niemand dazu auf dem roten Sofa Platz, geredet wurde lieber im Stehen. Esther Geißlinger