Vor dem Hintergrund der Amoktat in Hamburg Alsterdorf wird jetzt erneut über eine Verschärfung des Waffenrechts diskutiert. Das ist bereits seit Jahren Thema und scheiterte zuletzt 2021 …
Am Donnerstag tötete ein ehemaliges Mitglied der Zeugen Jehova sieben Menschen, darunter ein ungeborenes Mädchen. Anschließend tötete sich der 35-Jährige selbst. Mehrere Verletzte werden noch auf der Intensivstation behandelt. Philipp E. war als Mitglied eines Schützenvereins rechtmäßiger Besitzer einer halbautomatischen Pistole. Mit dieser soll er 135 Schüsse abgegeben haben. Nach einem anonymen Hinweis auf eine mögliche, nicht diagnostizierte psychische Erkrankung war er erst Anfang Februar polizeilich überprüft worden. Dabei habe er sich kooperativ gezeigt, und es hat für die Polizisten offenbar keine Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung gegeben, berichtete Stern.de mit Verweis auf Aussagen des Hamburger Polizeipräsidenten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bereits einen eigenen Entwurf für eine Verschärfung vorgelegt, kündigte jetzt aber eine Überprüfung auf Lücken an. Eine davon scheint zu sein, dass im Entwurf ein Verbot „kriegswaffenähnlicher halbautomatischer Waffen“ vorgesehen ist. Die halbautomatische Pistole, die Philipp E. nutzte, wäre aber wohl nicht darunter gefallen. Nach den Plänen Faesers sollen neue Waffenhalter künftig auf eigene Kosten „ein ärztliches oder psychologisches Zeugnis ihrer Eignung vorlegen“, berichtete das Hamburger Abendblatt. Das gelte bislang nur für Käufer unter 25. Dies müsse laut Faeser in Zusammenarbeit mit den Gesundheitsbehörden geschehen, nötig sei eine bessere Vernetzung der Behörden.
Fünf Millionen legale Waffen
Auch die Frage, ob Sportschützen ihre Schusswaffen überhaupt privat lagern dürfen sollten, steht erneut im Raum. Laut Statistik gibt es rund fünf Millionen legale Waffen im Land, so die Süddeutsche. Das Recht auf Waffenbesitz zu verlieren, ist nach wie vor schwer. Der Hamburger Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Jan Reinecke, plädierte im Abendblatt dafür, sportlich genutzte Waffen an der Sportstätte zu lagern und einzeln an Sportschützen auszugeben.
Forderungen nach mehr Kontrollen und Vorschriften stoßen indes regelmäßig auf Widerstand bei Jagd- und Schützenverbänden. Daran scheiterten schon unter der vorherigen Großen Koalition Reformbemühungen. Hintergrund damals war eine andere Amoktat: Neun Menschen tötete Tobias R. am 19. Februar 2020 in Hanau, bevor er seine Mutter und sich umbrachte.
Die Waffen, die er für die rassistischen Morde benutzte, besaß auch er als Sportschütze völlig legal – obwohl er bereits vorher zwangsweise in die Psychiatrie eingeliefert und bei Bundesanwaltschaft bzw. Staatsanwaltschaft mit wirren Anzeigen wegen angeblicher Überwachung durch Geheimdienste auffällig wurde. Posthum diagnostizierte man bei ihm eine paranoide Schizophrenie. Ein vom Bundeskabinett beschlossener Gesetzentwurf „zur Verbesserung waffenrechtlicher Personenüberprüfungen“, der ausschließen sollte, dass psychisch kranke Menschen legal Waffen besitzen, wurde auf Druck der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Mai 2021 kurzfristig und überraschend für die abgelaufene Legislaturperiode zurückgezogen. (frg/hin/rd)
Darüber und über das Thema Waffen und psychische Erkrankungen berichteten wir ausführlich im Herbst 2021.