Keine Anhörung:
Richterin soll in Haft

Das Urteil ist gesprochen, doch die Angeklagte Betreuungsrichterin kann noch in Revision gehen. Symbolfoto: pixabay

Ein Richterin aus Rotenburg/Wümme ist vom Landgericht Stade wegen Rechtsbeugung schuldig gesprochen worden. Sie wurde zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, weil sie Menschen ohne Anhörung vorübergehend oder dauerhaft in die geschlossene Abteilung einer Psychiatrie eingewiesen hatte: Die gesetzlich vorgeschriebenen Anhörungen hatte sie in einigen Fällen gar nicht, in anderen Fällen nur verspätet durchgeführt.   

Insgesamt 15 Fälle aus der Zeit zwischen Mai 2016 und Dezember 2017 wurden der ehemaligen Betreuungsrichterin zur Last gelegt. Unter den Betroffenen waren auch Menschen mit geistigen Behinderungen. Auch soll die Richterin die Verfahrenspfleger:innen regelhaft erst nach ihrer Genehmigung zur Unterbringung bestellt haben – dabei sollen die Interessen des Betroffenen vor dem Betreuungsgericht vertreten. 

Angeklagte gab Überlastung als Grund an

Die Angeklagte hatte im Prozess keinen der Fälle bestritten – und sich damit gerechtfertigt, dass sie dienstlich und privat überlastet gewesen sei und nicht vorsätzlich gehandelt habe. „Es ist schmerzlich, dass es unter meiner Verantwortung zu Verfehlungen gekommen ist“, wird sie in der tageszeitung zitiert: „Ich wollte stets alles richtig machen“. Die Verteidigung forderte einen Freispruch für Heike B. Ihr Vorgehen sei „kein Augenblicksversagen“ gewesen, zitiert der NDR aus der Urteilsverkündung. 

Urteil ist noch nicht rechtskräftig

Eine Unterbringung psychisch Kranker ist eine freiheitsentziehende Maßnahme und stellt damit einen schweren Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen dar. Es braucht dafür in Deutschland immer einen richterlicher Beschluss. Sollte es ohne vorheriges Verfahren etwa auf Grund von Selbst- oder Fremdgefährdung zu einer Unterbringung oder Fixierungen kommen, gibt es ein Eilverfahren oder einstweilige Anordnungen. Spätestens innerhalb von 24 Stunden muss der Eingewiesene die Möglichkeit bekommen, sich zu äußern. Bei sechs der insgesamt 15 Fälle soll das nicht passiert sein. Die Ermittlungen liefen dem NDR zufolge seit 2018, bis 2020 war die jetzt Verurteilte aber weiterhin als Betreuungsrichterin tätig.   

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die 54-Jährige kann noch in Revision gehen. Hat es Bestand, verliert sie ihr Richteramt und ihre Pensionsansprüche. 

Jan Zier

Nachtrag vom 9.3.: Die vom Landgericht verurteilte Richterin hat inzwischen Revision eingelegt. Nun entscheidet der Bundesgerichtshof, ob das Verfahren erneut aufgerollt wird, berichtete der NDR. Das könne laut einer Sprecherin des Landgerichts Stade Monate dauern. Bis dahin ist das Urteil nicht rechtskräftig.