Keine Waffen für
psychisch Kranke?

Eine Verschärfung des Waffenrechts ist in der abgelaufenen Legislaturperiode gescheitert. Symbolfoto: pixabay

Neun Menschen tötete Tobias R. am 19. Februar 2020 in Hanau, bevor er seine Mutter und sich umbrachte. Die Waffen, die er für die rassistischen Morde benutzte, besaß er als Sportschütze völlig legal – obwohl er bereits vorher zwangsweise in die Psychiatrie eingeliefert und bei Bundesanwaltschaft bzw. Staatsanwaltschaft mit wirren Anzeigen wegen angeblicher Überwachung durch Geheimdienste auffällig wurde. Posthum diagnostizierte man bei ihm eine paranoide Schizophrenie. Ein vom Bundeskabinett beschlossener Gesetzentwurf „zur Verbesserung waffenrechtlicher Personenüberprüfungen“, der ausschließen sollte, dass psychisch kranke Menschen legal Waffen besitzen, wurde auf Druck der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die abgelaufene Legislaturperiode zurückgezogen. Auch der Schützenbund hatte interveniert. Wird die neue Koalition handeln?


550 Waffenbehörden in Städten und Landkreisen entscheiden darüber, wer eine Waffe besitzen darf. Sie stellen die Waffenbesitzkarte aus und sollen die Zuverlässigkeit ihrer Inhaber alle drei Jahre überprüfen. Die waffenrechtliche Erlaubnis bekommt, wer ein Bedürfnis vorweisen kann – etwa weil er Sportschütze ist. Schützenvereine sind deshalb der Türöffner für den legalen Erwerb einer Waffe. Ist der Vorgang erst einmal durch, hindern allein die personellen Ressourcen die Behörde daran, die circa eine Million WaffenbesitzerInnen im Auge zu behalten. Informationen zu ihnen müssen sich die SachbearbeiterInnen auf eigene Initiative besorgen, sie erhalten sie nicht automatisch von Gerichten und Staatsanwaltschaften. Und eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes zu einer zu überprüfenden Person darf seit 2012 wegen datenschutzrechtlicher Bedenken nicht mehr erfolgen. Kein Wunder also, dass das Bundesinnenministerium gegenüber den Innenministern der Länder Maßnahmen vorschlug, die insbesondere auf eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Gesundheitsämtern, Polizei und den zuständigen Waffenbehörden der Länder abzielen, wie die ZEIT berichtete.

Zuständige Waffenbehörde erfuhr nichts von den Wahnvorstellungen von Tobias R.

Dass die zuständige Waffenbehörde nichts von den Wahnvorstellungen des rechtsradikalen Tobias R. erfuhr, darf als Skandal bewertet werden. Auch, dass Datenschutz in manchen Behörden offenbar höher bewertet wird als der Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Bürger. Hätte die Weitergabe von Informationen aus der Patientenakte von Tobias R. an die Waffenbehörde Menschenleben gerettet? Vermutlich ja. Bei den Innenministern schien die Dringlichkeit angekommen zu sein, dass die Waffenbehörden mehr Möglichkeiten bekommen müssen, Informationen über psychische Erkrankungen von Besitzern von Waffenbesitzkarten zu erhalten. Beim Gesetzentwurf zeigte sich aber, dass die verpflichtende Regelabfrage der Waffenbehörde an die Gesundheitsämter, also der Umgang mit der ärztlichen Schweigepflicht, auf Widerstände stieß.


Dass die pauschale Forderung, keine Schusswaffen in Hände von psychisch kranken Menschen gelangen zu lassen, bei Betroffenen auch Widerstände hervorruft, war zu erwarten, und in der Tat setzte sich ein Artikel über aktuelle Gesetzgebungsvorhaben in der Psychosozialen Umschau kritisch mit der Waffengesetzreform auseinander. Für psychisch kranke Menschen sei dies diskriminierend, heißt es da, da ihnen Sportschießen und die Jagd verwehrt würde. Gefordert wird hier, dass ähnlich wie bei einem Motorbootschein die gesundheitliche Eignung per ärztlicher Bescheinigung nachgewiesen werden muss.

Auch Rechtsextremisten sollten enger überprüft werden dürfen

Doch können Ärzte mit Sicherheit eine Selbst- oder Fremdgefährdung ausschließen und guten Gewissens eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für den Waffenbesitz ausstellen?
Der Focus bei der strengeren Überprüfung des Waffenbesitzes liegt aber nicht ausschließlich bei den psychisch Kranken. Auch Rechtsextremisten sollten enger überprüft werden dürfen. 2020 beschloss der Gesetzgeber, dass die Waffenbehörde per Regelabfrage für jede Waffenerlaubnis und später dann alle drei Jahre routinemäßig beim Verfassungsschutz anfragen muss, ob jemand als Extremist aufgefallen ist. Wird die Anfrage positiv beschieden, könnte der Waffenschein entzogen werden. Kritiker bemängeln aber, es wäre effektiver, wenn die Verfassungsschutzbehörden von sich aus ihre Erkenntnisse an die Waffenbehörden melden würden.

Initiative gegen Waffenbesitz in Privathaushalten


Mittlerweile gibt es eine Initiative, die sich gegen den Besitz von Waffen in Privathaushalten richtet. „Keine Mordwaffen als Sportwaffen!“ heißt sie und wird von Prominenten wie Oliver Welke und Angela Winkler unterstützt (https://www.sportmordwaffen.de). Auch Angehörige von Opfern einiger Amokläufe in Deutschland sind darunter. Sie wollen nicht mehr akzeptieren, dass der Schießsport unbedingt mit tödlichen Waffen betrieben werden muss, denn längst wird in manchen Sportarten mit Laserwaffen geschossen. Die Initiative ist auch eine Reaktion auf die Zunahme der erlaubnispflichtigen Waffen und Waffenteile in Privatbesitz zwischen 2017 und 2020. Im Vorjahr waren Ende August 5,57 Millionen Waffen und Waffenteile registriert, 127.534 mehr als zum Jahresende 2019, wie die „Neue Osnabrücker Zeitung“ auf Anfrage an das BMI berichtete. Die meisten waren Gewehre für die Jagd. (M. Freitag)

(Erstveröffentlichung in der EPPENDORFER-Printausgabe 5/21)