Cannabis-Eckpunkte:
Streit um Jugendschutz

Noch im April soll mit Beratungen zur Cannabis-Legalisierung im Bundestag begonnen werden. Symbolfoto: pixabay

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigt die geplante Cannabis-Teillegalisierung gegen Kritik. Der Drogenbeauftragte Burkhard Blienert begrüßt die Freigabe grundsätzlich, mahnt aber vor allem Suchtvorbeugung an Schulen an. Kritik kam auch von der Polizei-Gewerkschaft und von Ärztekammern. Unterdessen wurde das Land Bremen von Seiten der Grünen als Modellregion für den Verkauf von Cannabis in bestimmten Geschäften und Apotheken vorgeschlagen. Der erste Gesetzentwurf zur Legalisierung des privaten Besitzes und des gemeinschaftlichen Anbaus soll noch im April vorgelegt und dann vom Bundestag beraten werden

Die von der Bundesregierung geplante teilweise Freigabe von Cannabis hat ein unterschiedliches Echo ausgelöst. Im Mittelpunkt der Diskussion steht vor allem der Schutz von Kindern und Jugendlichen. Kritik kam unter anderem vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verteidigte indes das Vorhaben und erhielt zumindest teilweise Rückendeckung vom Drogenbeauftragten der Bundesregierung.

Lauterbach stimmte in den ARD-„Tagesthemen“ der Kritik in puncto Jugendschutz prinzipiell zu. Er sehe jedoch, „dass die bisherige Strategie nicht gewirkt hat, sondern dass die Lage immer schlimmer wird“. Dem wolle die Regierung etwas entgegensetzen. Lauterbach kündigte in diesem Zusammenhang Präventionsprogramme für Kinder und Jugendliche an, „die über die Gefahren des Konsums informieren“. In der Sendung „RTL aktuell“ unterstrich der SPD-Politiker zudem, dass eine Abgabe der Droge an Kinder und Jugendliche „streng bestraft“ werde.

Polizeigewerkschaft kritisiert Konsumclubs

Dagegen erwartet Unions-Fraktionsvize Dorothee Bär (CSU), mit den angekündigten Cannabis-Clubs halte die Ampel-Koalition „junge Menschen nicht von Drogen fern, sondern führt sie geradezu an Konsum heran“. In der „Augsburger Allgemeinen“ (Donnerstag) kritisierte die Unionsexpertin für Jugend- und Familienpolitik das zentrale Vorhaben der Regierung daher als „frontalen Angriff auf den Kinder- und Jugendschutz“. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) befürchtet:  Cannabis-Konsumclubs eröffneten neuen Möglichkeiten, „unter dem Deckmantel vermeintlicher Vereinsarbeit die vorgeschriebene Abgabe von Cannabis zu unterlaufen.“ Es liege auf der Hand, dass mehrere Behörden mit der Kontrolle des Vereinslebens beschäftigt sein werden. Auch der Besitz von maximal drei Pflanzen oder 25 Gramm Cannabis pro Person sei in der Praxis „prinzipiell nicht kontrollierbar“, die Verfügbarkeit von Cannabis mit einem sehr hohen THC-Gehalt zu befürchten.

Drogenbeauftragter mahnt mehr “örtliche Prävention und Suchthilfe” an

Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Burkhard Blienert (SPD) begrüßte die Eckpunkte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag) zwar als „wichtigen Schritt zu mehr Gesundheits- und Jugendschutz und zu mehr Prävention“. Es gebe aber noch einiges zu tun. Blienert mahnte mehr „örtliche Prävention und Suchthilfe“ an. Vor allem müsse es „an jeder Schule“ Angebote zur Suchtvorbeugung geben, sagte der Drogenbeauftragte. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte begrüßte die Ankündigung Lauterbachs, den Kinder- und Jugendschutz in den Vordergrund zu stellen. Wie genau der Gesundheitsminister das erreichen wolle, gehe jedoch „aus dem aktuellen Entwurf nicht hervor“, sagte Verbandssprecher Jakob Maske. Maske zufolge ist es rechtlich zwar sinnvoll, den Cannabis-Konsum ab 18 Jahren freizugeben. „Medizinisch gesehen wäre ein Verbot bis zum Alter von 25 Jahren aber sinnvoll“, unterstrich er.

Ärztekammer: Diskussion dreht sich zu sehr um juristische Aspekte

Kritisch äußerte sich auch die Ärztekammer Hamburg. „Die aktuellen Diskussionen drehen sich viel zu sehr um die juristischen Aspekte und viel zu wenig um die realen Versorgungsaspekte und -probleme“, so Kammerpräsident Dr. Pedram Emami. Auch mit Blick auf die Folgen des Konsums von Alkohol und Nikotin, insbesondere bei jungen Menschen, sollte nach Ansicht Emamis viel mehr in Prävention und Intervention investiert werden. Die Vizepräsidentin der Ärztekammer Hamburg, PD Dr. Birgt Wulff, bezweifelt, dass die Regelung hilft, den Cannabis-Konsum insgesamt einzudämmen. „Die Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass Legalisierung eher zu mehr Konsum führt und auch den Schwarzmarkt nicht zuverlässig verhindert.

Die Bremer Bundestagsabgeordnete, Gesundheitsexpertin und Psychiaterin Dr. Kirsten Kappert-Gonther schlug derweil Bremen als Modellregion vor. Wenn Cannabis von Erwachsenen legal in Fachgeschäften erworben werden könne, werde der Schwarzmarkt zurückgedrängt, glaubt sie.   Das Cannabis würde dann frei von gefährlichen Streckmitteln, die das gesundheitliche Risiko verschärften. „Das stärkt den Gesundheitsschutz. Zudem kann der Jugendschutz viel besser durchgesetzt werden“, sagte Kappert-Gonther.

Legalisierung von Cannabis – was genau ist geplant? 

 Der private Besitz, Anbau und Konsum soll Erwachsenen ab 18 Jahren soll noch in diesem Jahr erlaubt werden. Der Verkauf in dafür bestimmten Geschäften oder Apotheken kann aufgrund von Vorschriften aus dem EU-Recht zunächst nur in einigen Regionen ausprobiert werden.  Weitere Eckpunkte: 

PRIVATER BESITZ: Künftig soll der private Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für Erwachsene legal sein. Außerdem soll der Anbau von bis zu drei Pflanzen mit berauschender Wirkung erlaubt werden.

CANNABIS-CLUBS: Nicht kommerzielle Clubs oder Vereine mit bis zu 500 Mitgliedern dürfen Cannabis anbauen und die Produkte ausschließlich an die Mitglieder abgeben. Erlaubt sind bis zu 50 Gramm pro Monat, für Menschen zwischen 18 und 21 Jahren bis zu 30 Gramm. Auch bis zu fünf Stecklinge oder sieben Samen für Pflanzen können abgegeben werden

 Dissens besteht in der Koalition darüber, ob in den Räumen des Vereins Cannabis konsumiert werden darf. Laut Eckpunktepapier soll das verboten werden. Auch der öffentliche Konsum in der Nähe von Schulen, Kitas und in Fußgängerzonen bis 20 Uhr soll verboten werden.

MODELLPROJEKTE FÜR LIZENZIERTE GESCHÄFTE: Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart und auch anders als in ersten Eckpunkten vom Oktober 2022 vorgesehen, wird der Verkauf von Cannabis zunächst nicht generell freigegeben. Geplant war eine Abgabe an Erwachsene in lizenzierten Geschäften oder in Apotheken. Das soll nun fünf Jahre lang zunächst nur in regionalen Modellprojekten ermöglicht werden.

Eine wissenschaftliche Auswertung des Einflusses der Modellprojekte auf den Konsum von Cannabis und den Schwarzmarkt in der Region soll die Grundlage für weitere Entscheidungen liefern. Das Vorgehen ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zufolge mit der EU-Kommission abgesprochen. Eine bundesweite Zulassung von lizenzierten Geschäften zum Verkauf von Cannabis sei nach EU-Recht derzeit nicht möglich.

MINDERJÄHRIGE Jugendlichen unter 18 Jahren sind Besitz und Konsum von Cannabis weiterhin verboten; sie werden aber nicht strafrechtlich verfolgt. Dafür müssen sie jedoch an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen, wenn sie Cannabis besitzen oder konsumieren.

WERBUNG: Es gilt ein allgemeines Werbeverbot für Cannabis und die Cannabis-Clubs. Sachliche Informationen sind erlaubt.

LÖSCHUNG VON STRAFURTEILEN: Wer für Verstöße gegen das derzeit noch geltenden Recht verurteilt worden ist, kann eine Löschung der Verurteilung aus dem Bundeszentralregister beantragen, wenn das damalige Verhalten nach neuem Recht nicht mehr strafbar ist – also beispielsweise der Besitz von weniger als 25 Gramm Cannabis. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes werden Ermittlungs- und Strafverfahren beendet, die nach dem neuen Recht keine Grundlage mehr haben. (epd)