Angst in der Krise

Alma B.(31): Ich muss mich der Angst stellen, auch wenn es sich ganz schrecklich anfühlt. Foto: ZDF und ORF/Langbein & Partner

Panikattacken, Phobien und Depressionen – noch nie waren so viele Menschen von Angststörungen betroffen wie heute. Dabei wirken die Pandemie und die Corona-Maßnahmen wie Brandbeschleuniger. Für die Dokumentation “Angst – Seelen im Krisenmodus” , die noch bis 8. Oktober in der 3sat-Mediathek zu sehen ist, lassen Betroffene tief in das Innere ihrer eigenen Geschichte blicken. 

“Das beginnt mit Herzklopfen im Bauchraum, mein Puls rast, Schwindel kommt dazu und das Gefühl, dass mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird”, schildert Wolfgang B. die Symptome. “Auch Todesangst. Wenn es sich steigert, dann kommt die Todesangst dazu.” “Die psychische Belastung ist vor allem bei den Jugendlichen gestiegen”, stellt Christoph Pieh von Donau-Universität Krems fest. Die Lockdown-Maßnahmen, die Isolation und das Fehlen sozialer Kontakte haben ihnen besonders zugesetzt. Eine repräsentative Studie der Universität ergab: Etwa die Hälfte der Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahre beschreibt für sich Zeichen der Depressivität und Angst, das sind fünfmal mehr als vor der Pandemie.

Film wechselt zwischen subjektivem Erleben und Wissenschaft

Filmemacherin Andrea Ernst begleitet Erkrankte, die seit vielen Jahren an Ängsten, Panikattacken und Phobien leiden. Deutlich wird, wie sehr die psychische Erkrankung die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben einschränkt. Der Film wechselt zwischen dem intensiven Erleben der Erkrankten und der Perspektive der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern: Wann wird Angst tatsächlich zur Last? Warum entsteht die Krankheit vor allem in jungen Jahren? Welche Therapien helfen – und was befördert die Gesundung?

Die filmische Reise führt von Österreich mit dem monatelangen Schließen der Schulen, der Sportplätze und Freizeitzentren über Deutschland nach Schweden. Die Regierung in Stockholm wählte einen “Sonderweg”, in dem sie entschied, die Schulen und damit die Möglichkeit der sozialen Begegnung weitgehend offen zu lassen. 

Schon in der Kindheit Widerstandskraft aufbauen

“Die Orientierung in der gleichaltrigen Gruppe ist so wichtig”, betont Paul Plener, verantwortlich für die Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Medizinischen Universität Wien: “Die Jugendlichen durchleben eine sehr empfindliche Lebensphase. Sie müssen in kurzer Zeit viele wichtige Entscheidungen treffen, es geht um die Schule, die Ausbildung oder Lehre. Und um die große Frage: Was mache ich mit meinem Leben?” Ein Entscheidungsdruck, der in späteren Jahren nachlässt und weniger anfällig für psychische Erkrankungen macht. 

Andrea Ernst zeigt, wie Genesung mit Psychotherapie möglich wird – und wie wichtig es schon in der Kindheit ist, Widerstandskraft gegen traumatische Lebensereignisse aufzubauen. Ein Plädoyer für die große Bedeutung der eigenen inneren Kräfte – und die Notwendigkeit einer sicheren sozialen Umwelt und Gesellschaft. Denn Angst könne auch politisch gewollt und geschürt werden – und entfalte dann einen besonderen toxischen Cocktail, warnt der Sender in seiner Ankündigung. (rd/PM 3sat)