Aby Warburg (1866 –1929) stammte aus der wohlhabenden Hamburger Bankiersfamilie Warburg und war ein deutscher Kunsthistoriker und Kulturwissenschaftler – und er war Psychosepatient. Im Alter von sechs Jahren schwer an Typhus erkrankt, blieb er sein Leben lang von labiler körperlicher und seelischer Gesundheit und erkrankte später an einer schweren Psychose, wegen der er mehrere Jahre in einer Nervenheilanstalt verbrachte. Ein besondere Aspekt dieser Phase – ein Vortrag Warburgs über die Kultur der Pueblo-Indianer in Nordamerika im Rahmen seines Sanatoriumsaufenthalts sowie der Einsatz der Indianer im 1. Weltkrieg und Warburgs Reaktion auf den Kriegsausbruch – stehen im Zentrum des Films „Eher Sterben als Sterben“ der französischen Filmemacherin Natacha Nisic.
Wenn es nach seiner Familie gegangen wäre, wäre er Rabbiner, Arzt oder Jurist geworden. Doch Aby Warburg setzte sich durch und widmete sein Leben der Kultur. 1886 reiste er in die USA, wo er u.a. die Kultur der Hopi studierte. 1897 heiratete er – gegen den Willen seines jüdischen Vaters – die Malerin und Bildhauerin Mary Hertz. Sie war die Tochter eines Hamburger Reeders und Senators, der Mitglied der Synode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Hamburg war. Das Paar hatte drei Kinder und lebte zwischenzeitlich auch in Florenz. Schon damals soll Warburg, der sich später auch der Astrologie zuwendete, an Depressionen gelitten haben.
Krankenberichte von Ludwig Binswanger überliefert
Im November 1918 brach bei Warburg eine schwere Psychose aus. Da er gedroht haben soll, sich und seine Familie umzubringen, wurde er 1921 in das von Ludwig Binswanger geleitete Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen gebracht. Aus dieser Zeit sind die Krankenberichte Binswangers überliefert, der Wahnvorstellungen, Aggressivität gegen das Personal, Phobien und zwanghafte Hygienerituale notierte. Später wurde auch noch Emil Kraepelin zu Rate gezogen, der die Diagnose Schizophrenie in manisch-depressive Erkrankung änderte. Als erstes Anzeichen einer psychischen Stabilisierung wird Warburgs Verarbeitung seiner Aufzeichnungen über die Hopi-Indianer gewertet. Einen Vortrag über das „Schlangenritual“ der Hopi hielt er am 21. April 1923 vor Patienten und Ärzten des Bellevue. Im August des folgenden Jahres wurde Warburg aus der Klinik entlassen. Warburg starb am 26. Oktober 1929 an einem Herzinfarkt.
Was machte der Krieg mit Warburg? Dieser hatte Tausende Bilder und Texte für seine kulturwissenschaftliche Bibliothek gesammelt, „anhand derer er die ideologischen Grundlagen eines todbringenden Krieges zu begreifen versucht – und darüber den Verstand verliert“, so der Fernsehsender Arte, der den Film Ende 2017 zeigte und noch mehrere Monate in seiner Mediathek vorhält. Indianer wiederum, insbesondere Hopi, kämpften überwiegend freiwillig während des Ersten Weltkriegs in den alliierten Truppen, 1917 und 1918 in der Picardie und an der Somme. Und der Film schildert u.a., wie Warburg sich bei einer Halluzination bei den Hopi- Indianern wiederfindet …
„Plutôt mourir que mourir“ heißt der Film der Pariserin Natacha Nisic im Original. Er reihe sich ein in ein Werk, in dem die Künstlerin seit Jahren „auf vielfältige Weise die Beziehung zwischen Bildern, Worten, Interpretationen, Symbol und Ritual erforscht“, heißt es in der Ankündigung der englischsprachigen DVD-Neuerscheinung mit dem Titel „Rather Die Than Die“. Eine deutsche Version des Films ist in der arte-Mediathek zu finden. (hin)
(Quellen: www.warburg-haus.de, www.wikipedia.de, www.arte.tv)