Rund 200 Menschen mit psychischen Krankheiten, ihre Angehörigen und Profis aus Beratungsstellen, Vereinen oder Kliniken diskutierten im Kieler Landtag ihre Forderungen an Politik und Sozialministerium. Zu dem Fachtag hatten der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung und die Arbeitsgemeinschaft Handlungsplan (AGH) als Vertretung Psychiatrieerfahrener eingeladen.
Mit der Expertise aus einer eigenen psychischen Krankheit anderen helfen: „Ex-In“ oder Genesungshelfer können in Kliniken oder Beratungsstellen wertvolle Arbeit leisten. Aber der Weg dorthin kann frustig sein: „Wenn man sagt, die Ausbildung solle der beruflichen Eingliederung dienen, wird auf das Arbeitsamt verwiesen. Wenn man sagt, man hofft auf bessere Gesundheit, wäre die Krankenkasse dran“, berichtete eine Frau in einem der Workshops bei der Tagung über ihre Erfahrungen. Aktuell stünden rund 150 Personen allein in Schleswig-Holstein auf der Warteliste für eine Ex-In-Ausbildung, die Kurse kommen nicht zustande, weil niemand die Kosten übernimmt.
Eines von vielen Beispielen, wo es aus Sicht der Betroffenen hakt. Auf eine andere Schwierigkeit wies Jörg Adler hin, Psychiatrieexperte beim Paritätischen Wohlfahrtsverband: „Wir verlieren Menschen und damit auch Geld an Schnittstellen.“ Etwa, wenn ein Suchtkranker nach einer stationären Rehe wochenlang auf eine ambulante Therapie wartet und in der Zwischenzeit rückfällig wird.
Zuletzt hatte sich die Politik in Schleswig-Holstein 2016 in einem Psychiatriebericht ausführlicher mit der Lage von und den Angeboten für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und Krankheiten befasst. Seither herrsche aber das Gefühl vor, es sei „ein Vakuum entstanden“, sagte Ulrich Hase dem Eppendorfer. So sah er den Fachtag als ein Gesprächangebot und ein. Knapp 200 Personen aus dem ganzen Land nahmen an der Veranstaltung teil, für Hase ein Signal, wie groß der Redebedarf und das Interesse am Thema seien. „Wir wollen feststellen, wo es den größten Handlungsbedarf gibt, und uns mit den Ergebnissen wieder an Politik und Ministerium wenden“, sagte der Landesbeauftragte.
Diese Ergebnisse haben es in sich: Bessere Strukturen für Ex-In-Kurse, Hilfen für Kinder psychisch kranker Eltern, eine sichere Finanzierung für Offene Hilfen, niedrigschwellige „Pforten“ ins Hilfesystem und eine bessere Kooperation aller zuständigen Stellen waren nur einige der Forderungen, die am Ende des Tages auf der Leinwand im Plenarsaal standen.
Viele dicke Bretter also, die es noch zu bohren gilt, bis es auf der „Baustelle Sozialpsychiatrie“ vorangeht. Michael Morsch, seit kurzem im Kieler Sozialministerium für den Bereich Psychiatrie zuständig, war nach der Veranstaltung aber mehr als zufrieden: „So viel Energie und neue Impulse – das gibt richtig Rückenwind!“, sagte er dem Eppendorfer. Esther Geißlinger
(Weiterer Bericht in der EPPENDORFER-Printausgabe 1/2020, die Anfang Januar erscheint)