Die Seemannsmissionen in Norddeutschland bauen derzeit ein Netzwerk auf, um Seeleuten in seelischen Notsituationen beizustehen. Vorbild sei die Notfall-Seelsorge der Polizei und Feuerwehr, sagte Fiete Sturm (36), Leiter der Seemannsmission Hamburg-Altona, dem epd. Die erste Gruppe mit 15 überwiegend hauptamtlichen Seemannsdiakonen hat ihre Ausbildung bereits abgeschlossen. Eine zweite Gruppe startet im Spätsommer. Ein spezielles Thema der Ausbildung ist die Konfrontation der Seeleute mit den Flüchtlingen auf dem Mittelmeer.
Die Arbeit auf See zählt nach wie vor zu den gefährlichsten Arbeitsbereichen. Die Unfallzahlen sind vergleichsweise hoch, immer wieder kommt es auch zu Todesfällen, etwa wenn Container verrutschen. Freizeit gibt es kaum, die Bezahlung ist meist gering. Die Mannschaften kommen aus allen Regionen der Welt, häufig sind es Filipinos oder Russen. Selbst bei Todesfällen in ihrer eigenen Familie können sie meist nicht nach Hause. Die Suizidrate soll vergleichsweise hoch sein, allerdings gibt es darüber keine Statistik. Anders als bei Polizei und Feuerwehr seien Seeleute doppelt betroffen, sagt Sturm. Sie könnten Opfer von Unfällen werden, seien zugleich aber auch Retter und Begleiter ihrer verunglückten Kollegen.
Wenn ein Seemann etwa nach einem Unglücksfall Begleitung braucht, ruft er bei einer Station der Deutschen Seemannsmission an, die ihren Hauptsitz in Bremen hat. Es gibt mittlerweile eine Telefonliste mit einsatzbereiten Seelsorgern, die dann mit Helm und Sicherheitsschuhen an Bord gehen können. Es bleibe in der Regel bei einem einmaligen Seelsorgegespräch, räumt Fiete Sturm ein. Eine therapeutische Begleitung sei nicht möglich, weil das Schiff meist nach einem Tag den Hafen wieder verlässt. “Es ist eine Chance, die Last ein bisschen zu teilen.” Bei schweren Fällen kann der Hafenärztliche Dienst eingeschaltet werden.
Die Flüchtlingstragödie auf dem Mittelmeer ist für Seeleute auch dann präsent, wenn das Thema nicht gerade durch die Medien geht. Wer vor der libyschen Küste fährt, müsse mit Flüchtlingen in Seenot rechnen, sagt Sturm. „Allein das im Kopf zu haben, ist schon belastend.” Menschen in Seenot zu retten, sei für jeden Seemann eine Selbstverständlichkeit. „Wer in Gefahr ist, wird gerettet.” Das würden auch Seeleute unterschreiben, die eine liberale Flüchtlingspolitik ablehnen. Allerdings seien gerade Containerschiffe für die Aufnahme von Flüchtlingen aus einem Schlauchboot heraus technisch oft völlig ungeeignet. (epd)