Geschichte einer
Radikalisierung

Friedrich Hölderlin (Thorsten Hierse) in der Kutsche, mit der er gewaltsam abtransportiert wird, da er als politischer Gegner gilt. Foto: SWR

Am 20. März 1770 – also vor 250 Jahren – wurde in Lauffen am Neckar Friedrich Hölderlin geboren. Der Fernsehsender arte zeigt aus diesem Anlass in seiner Mediathek unter dem Titel „Friedrich Hölderlin – Dichter sein. Unbedingt!“ eine neue Dokumentation, die die Geschichte einer künstlerischen Radikalisierung zeigt. 

Am 11. September 1806 wird der Dichter Friedrich Hölderlin gewaltsam von seinem damaligen Wohnort Bad Homburg abtransportiert, nach Tübingen gebracht und in der psychiatrischen Abteilung einer Klinik interniert. Genau 231 Tage wird er dort verbringen, nach damaligen, drastischen Methoden „therapiert“ und schließlich als unheilbarer Fall der Familie eines Tübinger Schreiners zur Pflege übergeben. 36 Jahre lebt der Dichter in einem Turmzimmer des Hauses, bis zu seinem Lebensende. Die Umstände seiner gewaltsamen „Inhaftierung“ geben der Nachwelt bis heute Fragen auf.

Wider das Klischee vom umnachteten Genie

Dafür wurden Spielszenen und dokumentarische Aufnahmen von Originalschauplätzen in Deutschland und Frankreich mit den „Ermittlungen“ namhafter Experten montiert, darunter auch Prof. Uwe Gonther, ärztlicher Direktor des AMEOS Klinikums Bremen, der gemeinsam mit PD Jann E. Schlimme aktuell auch ein im Psychiatrie-Verlag erschienenes Buch über Hölderlin veröffentlicht hat. Darin wenden sich die Autoren gegen das Klischee vom umnachteten Genie. Hölderlin hatte nach Zwangsbehandlung im Tübinger Klinikum die letzten 37 Jahre seines 73-jährigen Lebens in Familienpflege im berühmten Turmzimmer verbracht – und auch gedichtet.  

Entlang der zentralen Lebensstationen und vor dem Hintergrund elementarer historischer Umwälzungen rekonstruiert der Film „den kompromisslosen Lebensweg eines talentierten, hochgebildeten, sensiblen jungen Mannes, der in seiner Sprache an die äußerste Grenze von Literatur vordringt“, so Arte in seiner Ankündigung. Seinen Zeitgenossen sei Hölderlins Dichtung unverständlich geblieben. Heute zähle er zu den weltweit bekanntesten und meistübersetzten deutschen Lyrikern.

650 Veranstaltungen geplant 

Aus Anlass seines 250. Geburtstages sind laut Literaturarchiv Marbach auch mehr als 650 Veranstaltungen zwischen Barcelona und Wien in Theatern, Literaturhäusern, Universitäten und Schulen geplant, darunter auch ein Musical und eine Oper. 

Zum Auftakt des offiziellen Hölderlinjahrs wurde am 15. Februar der neu gestaltete Hölderlinturm in Tübingen wiedereröffnet. Das Musical „Hölder“ hatte in seinem Geburtsort Lauffen Uraufführung, bevor es in weiteren Städten gezeigt werden soll. Die Oper mit dem Titel „Der Thurm“ steht am 9. Oktober in Tübingen auf dem Programm.         (hin)