„Wir üben –
und werden besser“

Benjamin Maack. Foto: Heike Steinweg
  • Benjamin Maack über Depressionen und wie er „Corona“ bewältigt …

Man muss ihn mögen, wie er da so offen und wenig selbstverliebt von seinem Leben und von seinen Depressionen spricht. Diesen 42-Jährigen, sehr erfolgreichen Autoren, der so mit der Wahrheit ringt – und damit, sich selbst wenigstens ein bisschen zu lieben. Von den krankheitsbedingten Gefühlsbremsen gegenüber Frau und Kindern ganz zu schweigen. Dem es richtig gut ging als es ihn traf, äußerlich betrachtet: Ressortleiter beim Spiegel, anerkannter Autor mit preisgekrönter Lesung beim Bachmann-Preis, mit Kollegen, Freunden und genug Geld. Er sei ein unglücklicher Mensch gewesen, der mit Glück überschüttet wurde, drückt er es aus. Doch als er depressiv ist, denkt er: Hätte ich doch ein richtiges Problem, dann wäre es bestimmt einfacher. Heute sei er viel glücklicher als vor sechs Jahren. Nach schweren Depressionen und drei Psychiatrieaufenthalten (zuletzt im Herbst 2019) sagt er: „Es geht mir gut. Besser als je zuvor in meinem Leben.“ 

So endet „Wenn das noch geht kann es nicht so schlimm sein.“ Ein schonungslos offenes und sehr besonders strukturiertes Buch über die eigene Krankheit, aus dem der Autor jüngst in der Reihe „Spiegel liest“ auf spiegel-online.de las  und über das er mit Volker Weidermann sprach. Der Spiegel-Literaturchef outete sich dabei als Fan. „Großartig“, so sein Urteil über das Buch. 

Benjamin Maack wurde in Winsen an der Luhe geboren und studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Volkskunde. Er veröffentlichte früh Gedichte und Erzählungen, trat bei Literaturveranstaltungen auf. 2008 wird er Redakteur beim Spiegel, 2013 Ressortchef. Beruflich auf der Erfolgsschiene, erkrankt er an Depressionen. So schwer, dass er auch Suizidgedanken erlebt. Als er vor zwei Jahren zum zweiten Mal in der Klinik ist – ein Foto aus seinem Patientenzimmer lässt vermuten, dass es sich um Ochsenzoll handeln könnte … – wird die Dosis seines Medikaments erhöht. Daraufhin quälen ihn Suizidgedanken. In dieser Situation greift er zu Stift und Notizbuch und beginnt „wie ein Besessener“ alles hineinzuschreiben, was in seinem Kopf ist: „Panisch. Pathetischen, peinlichen, ekelhaften und pennälerhaften Mist. Ich schreibe das alles auf, schreibe das alles aus meinem Kopf heraus“, heißt es im Buch. Aber auch: „Es funktioniert nicht. Nicht ein bisschen.“

Im Keller tippt er die Notizen aus der Klinikzeit ab

Und doch. Er überlebt, wechselt nach mehr als zwei Monaten in die Tagesklinik, dann nach Haus, dort geht es ihm immer noch schlecht. Und mit dem Gedanken „man muss immer was machen, um was wert zu sein“ beginnt er im Keller – seinem durch Stahltüren vor den Söhnen gesicherten Rückzugsort – die Notizen aus der Klinikzeit abzutippen. Und schließlich wird ein ganzes Buch daraus. Kein Roman. Entstanden ist eine sehr besondere Innenansicht einer Depression, deren Wildheit und Schwärze man später so leicht vergesse, wie er sagt. Er habe versucht, „nur zu schreiben, was da ist“. Er ist streng mit sich, will an der Wahrheit festhalten, nichts erfinden. „Ich glaube, dass psychische Krankheiten viel zu oft bagatellisiert werden“, sagt er im Gespräch mit Volker Weidermann. 

Aber das Suizidthema, ist das nicht gefährlich, das zu veröffentlichen?“ sorgt er sich. Er hat einen Suizidologen gefragt. Sein Buch soll nichts anrichten. Er will nützlich sein. Sprache und Bilder für Depressionen zu finden, offen zu sein, das sei für die Gesellschaft wichtig. Der Experte beruhigt und gibt sein ok. Wichtig sei, dass die Darstellung ohne Heroisieren und ohne Lügen auskomme und das sei der Fall. 

Und wie haben selbst betroffene Leser reagiert? fragt Weidermann. Männer gäben gern Tipps und sagten wie lange sie schon depressiv sind – meist länger als er … Frauen hingegen würden eher mitteilen, dass sie es gut finden, dass er Worte  für den Zustand gefunden habe. „Das hat mich glücklich und dankbar gemacht“, sagt Maack, „dass es hilfreich ist.“ 

Corona trieb ihn zurück Richtung Depression

Und Corona? Er sei noch immer in Therapie und nehme Medikamente, arbeite nur noch drei Tage die Woche, schreibt er am Ende des im März erschienenen Buchs. Doch die „Corona-Ferien“ durchgehend mit Frau und zwei Kindern unter einem Dach – zwei Wochen davon wegen eines Österreich-Urlaubs in Quarantäne – haben ihn zurück Richtung Depression getrieben. Er konnte das lange Zusammenleben auf engem Raum schwer aushalten. Ausführlich beschreibt er seine Gefühlslagen in einem sehr lesenswerten Beitrag auf spiegel-online. Darin beschreibt er auch, wie er wieder aus dem Tief herauskam: Er bittet seine Frau um Freiräume und gesteht, dass er es nicht schafft sich so um die Kinder zu kümmern, wie er es versprochen hatte. Die Rettung: Struktur. Ein gemeinsamer Plan. Morgens Bürozeit im Keller, mit dem schularbeitenden Sohn Theo an der Seite, mittags eine Stunde Mittagsschlaf, danach eine mit den Kindern ausgehandelte Stunde „Quatsch-Zeit“ für Unfug. Und so weiter. Ein wichtiger Gedanke bei dem Ganzen sei für ihn gewesen: „Wir üben das und werden von Tag zu Tag besser.“ Zur Zeit gehe es „ganz gut“.                    Anke Hinrichs

Benjamin Maack: „Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein“, Suhrkamp-Verlag 2020, 18 Euro.

(Originalveröffentlichung: EPPENDORFER 3 / 20)