Verrückt nach Fußball

Aus der Psychiatrie auf die große Kinoleinwand: Zwei Protagonisten halten stolz das Filmplakat. (Copyright:glasfilm, Manuele Deho)

Der Torwart schizophren, der Außenstürmer psychotisch, der Abwehrspieler depressiv, die Mannschaft in der Krise. An manchen Samstagen kommt nur Denis zum Training des Teams Regenbogen. Dann hat es wieder keiner der vierzehn anderen geschafft, gegen die  Wirkung der Medikamente oder seiner Krankheit anzukämpfen. Und das gerade jetzt, wo Trainer Stefan fünfzehn Psychiatrie-Teams aus ganz Europa zum zwanzigsten internationalen Regenbogen-Cup der Psychiatrien nach München Haar geladen hat. Das ist die Ausgangslage des Dokumentarfilms „Fußballverrückt“, der eine Mannschaft aus Psychiatrie-Patienten und Szenen aus dem ansonsten meist verborgen bleibenden Alltag der Kicker zeigt. Er feierte im Mai auf dem Dokumentarfilmfestival in München Weltpremiere – und sucht nun den Weg in die Kinos …

Um es vorwegzunehmen: Der Zuschauer wird das Turnier miterleben. Auf dem Weg dahin nimmt uns der Autor und Regisseur mit in die Welt der Protagonisten, denen der Zuschauer auf diesem Weg sehr nahe kommt. Die Kamera folgt ihnen in ihre Wohneinrichtungen oder in ihre Familien.  Der 90-Minüter schönt nichts und dramatisiert nichts, er bildet die Realität ab. Es gibt keine Interviews, keinen Sprechertext – „Es war mir wichtig, dass die Zuschauer die Protagonisten so erlebt wie sie sind, ohne Stempel“, erklärt Deho.  

Da ist zum Beispiel Manfred, der seit 20 Jahren ohne Therapie und Medikamente auskommt und in einer christlichen Selbsthilfe-WG wohnt, während Peyman in einer betreuten Einrichtung angeleitet werden muss, wie man Socken zusammenlegt und seine Tablettenbox ordnungsgemäß mit Medikamenten befüllt.  Der Zuschauer sitzt mit im Auto, wenn Manfred und Denis  darüber reden, was man seinem Psychiater erzählen sollte und was nicht. Deutlich wird auch die große Bedeutung des Sports als ein Stück Normalität und Struktur, als Ort, wo der Patient nicht Patient ist, sondern Teil der Mannschaft, der jeder einzelne fehlt, wenn er nicht kommt. 

„Mich hat an dieser Geschichte gereizt, dass ein Thema, das gesellschaftlich eine sehr hohe Akzeptanz hat, nämlich Fußball, zusammenstößt mit einem der am stärksten tabuisierten Themen – der psychischen Krankheit“, so der Dokumentarfilmer Manuele Deho gegenüber dem Bayerischen Rundfunk (br).

Autor lernte den Trainer auf einer Feier kennen

Manuele Deho arbeitet seit über fünfzehn Jahren als Regisseur und Autor für das ZDF, das Bayerische Fernsehen und Spiegel TV. Entstanden ist der Film eher zufällig: Deho lernte auf einer Feier Stefan Holzer kennen, der ihm von seinen Kickern erzählte, seinem Team Regenbogen, dass er 1997 als junger Psychologie-Student gründete, nachdem er seinen Zivildienst im  Bezirkskrankenhaus Haar  geleistet hatte. Die Idee dahinter: Holzer wollte für die Männer ein therapiefreies Freizeitangebot jenseits der betreuten Wohn- und Arbeitseinrichtungen schaffen. 

Trainer Stefan Holzer. Foto: Glasfilm/M. Deho

Der Film zeigt auch den Kampf des dreifachen Vaters und Trainers selbst, der jedes Mal 70 Kilometer mit dem Auto zu den Trainingsterminen fährt – und dem die Zeit, die er in die Mannschaft  investiert, für die Familie fehlt. Zumal er auch viel arbeitet, als Gerichtsgutachter, in einer Beratungsstelle. Nebenbei macht er eine Ausbildung zum Psychotherapeuten. Abgesehen von der Familie, die darunter leide, sei es „das Sinnvollste, was ich in meinem Leben zustande gebracht habe“, damit höre man nicht so leicht auf, erklärt er im Film seiner Frau. All’ die Länder, in denen er  Fußball gespielt habe, all die Freunde, die er dadurch kennengelernt habe. Inzwischen hat er den Trainerposten aber dann doch (erstmal) aufgegeben  ….

Den Film habe er  bis auf zwei kleinere Zuschüsse komplett eigenfinanziert, so Deho. Daher hoffe er, den Film noch ins Kino bringen zu können, sagte er gegenüber dem EPPENDORFER. Und er freut sich über Anfragen für weitere Vorführungen, auch im norddeutschen Raum. Zum DGPPN Kongress im November wurde er bereits eingeladen.   (hin)

 Aktuelle Kinotermine: 2. Juli, 18 Uhr: Gesellschaftshaus Psychiatrie Haar, kbo-Isar-Amper-Klinikum München Ost Ringstraße 36, 85540 Haar. 17. Juli, 19 Uhr: Monopol Kino München (im Rahmen der Mitt-DOKS), 27. Juli, 18 Uhr: Liliom Kino Augsburg (im Rahmen der Augsburger Friedenswochen), 4. August, 11 Uhr:  City Kino München (im Rahmen der Filmkunstwochen).  Weitere Termine und Aktuelles unter www.facebook.com/fussballverruecktderfilms.a. http://www.glasfilm.de, Anfragen an: manuele.deho@glasfilm.de