Trans: “So,
wie ich bin”

Fuer den Transmann Jonas Fehlig war es ein weiter Weg zu sich selbst. Jonas Fehlig ist 20 Jahre alt und lebt in Hannover. epd-bild/Karen Miether

Jonas Fehlig ist 20 Jahre alt. Vor fünf Jahren outete er sich als trans. Inzwischen hat er sich die weibliche Brust entfernen lassen. Für ihn ein weiterer Schritt zu sich selbst. Auch das neue Selbstbestimmungsgesetz begrüßt er.

Jonas Fehlig wärmt sich mit kleinen Übungen auf, bevor er eine weitere Metall-Scheibe auf die Langhantel schiebt. Langsam und kontrolliert hebt er das Gewicht bis auf Hüfthöhe an. „Es sind nur 120 Kilo“, sagt der 20-Jährige aus Hannover mit einem Lachen. Das regelmäßige Training in einem Fitnessstudio ist ihm wichtig, das Spüren des Körpers, der Muskelaufbau: „Ich kann dadurch meinen Körper so anpassen, dass die Gesellschaft mich so wahrnimmt, wie ich gesehen werden will“, sagt er: „So, wie ich bin.“


Für den jungen Mann mit leichten Bartstoppeln und breiten Schultern war es ein weiter Weg zu sich selbst. Geboren mit den äußerlichen Merkmalen eines Mädchens, fühlt er sich schon früh im falschen Körper. Mit der Pubertät wächst sein Leidensdruck, ihm wird klar, dass es um weit mehr geht als ein Unbehagen, wenn er Röcke der älteren Schwestern trägt. „Ich musste für mich selbst erst aufarbeiten, was eigentlich dahintersteckt.“ Mit 15 Jahren outet er sich als trans. Seit gut anderthalb Jahren spritzen Ärzte ihm alle zehn Wochen Testosteron.

Transidentität ist noch immer ein Thema, das polarisiert

In seinen TikTok-Posts hat er aufgezeichnet, wie dadurch seine Stimme immer tiefer geworden ist. „Der Stimmbruch ist nicht rückgängig zu machen“, sagt er. „Aber das ist ja auch das, was ich will.“ Auch mit seinem Podcast „trans.to.meet.you“ will Fehlig aufklären und für mehr Akzeptanz werben. Nach seinen Erfahrungen ist Transidentität noch immer ein Thema, das polarisiert.


Umso mehr freut es ihn, dass der Bundestag vor Kurzem das neue Selbstbestimmungsgesetz beschlossen hat. „Ein großer Gewinn“, sagt er. Auf dem Papier ist Fehlig bisher noch eine Frau. Er will warten, bis im November das Gesetz in Kraft tritt, das die Änderung des Geschlechtseintrags beim Standesamt vereinfacht. Denn er will sich eine weitere Begutachtung ersparen.

Vor vier Monaten hat er sich die weibliche Brust entfernen lassen


Vor rund vier Monaten ist er auf seinem Weg einen weiteren Schritt gegangen und hat sich mit einer sogenannten Mastektomie die weibliche Brust entfernen lassen. „Das musste ich tun. Es ist so, als wäre es schon immer so gewesen wie jetzt“, betont er. Er brauchte zwei unabhängige psychologische Gutachten, damit die OP möglich wurde. „Ich finde es nicht schlimm, dass es eine Art von Schutz gibt“, sagt Fehlig. Allerdings sollten Transmenschen bei den Verfahren viel stärker einbezogen werden, findet er. „Niemand kann nachvollziehen, was in ihnen vorgeht, außer denjenigen, die es selbst erleben.


Der Münsteraner Kinder- und Jugendpsychiater Georg Romer hat langjährige Erfahrungen in der Behandlung von trans Kindern und Jugendlichen. Mit anderen Fachleuten hat er eine medizinische Leitlinie erarbeitet, die im Sommer erscheinen soll. „Neben dem erforderlichen Schutz junger Menschen vor möglicherweise verfrühten Entscheidungen, die später bereut werden könnten, ist ihr Recht auf Selbstbestimmung über die eigene geschlechtliche Identität ein hohes schützenswertes Gut“, sagt er.

„Transidentität ist keine Krankheit”


„Transidentität ist keine Krankheit“, betont Romer. Laut Weltgesundheitsorganisation gibt es jedoch unter Menschen, die sich anhaltend im falschen Geschlecht fühlen, viele, die nur mit medizinischen Maßnahmen zur Angleichung ihres Körpers an ihr empfundenes Geschlecht dauerhaft psychisch gesund bleiben können. „Alleinige Psychotherapie bleibt da wirkungslos.“

Fehlig macht gerade seinen Bundesfreiwilligendienst beim Technischen Hilfswerk „eher eine Herrendomäne“, wie er sagt. „Erst war es aufregend, dort anzufangen, aber mein Chef und die Kollegen sind sehr unterstützend.“ Dass dies noch immer nicht selbstverständlich ist, zeigt eine im Mai 2020 von der EU-Grundrechteagentur veröffentlichten Umfrage. Dort gaben 39 Prozent der Transpersonen in Deutschland an, in den vorangegangenen zwölf Monaten Diskriminierung am Arbeitsplatz erfahren zu haben.

Gewalttätige Übergriffe auf Transmenschen


Doch auch Fehlig kennt die Angst, die ihn in manchen Situationen begleitet. In Hannover hat es vor nicht allzu langer Zeit gewalttätige Übergriffe auf Transmenschen gegeben. „Ich bin mir dessen ständig bewusst“, sagt er. „Sich an die Norm anzupassen, ist auch ein Schutz.“ Je persönlicher der Kontakt ist, desto größer ist auch die Offenheit anderer, hat er erfahren. Zum Beispiel, als er sich mehr als eine Stunde lang mit dem Leiter seines Fitnessstudios unterhalten hat. „Wenn Leute nicht nur ein Konzept kennenlernen, sondern einen Menschen, macht das einen Unterschied.“
Karen Miether (epd)

Mediziner: Nicht zu lange mit Behandlung warten

Der Kinder- und Jugendpsychiater Georg Romer hält es für falsch, bei Transkindern und -jugendlichen, die eine dauerhafte Geschlechtsinkongruenz verspürten, zu lange mit einer Behandlung zu warten. Die im Jugendalter fortschreitende und nicht mehr rückgängig zu machende Verweiblichung oder Vermännlichung des Körpers könne anhaltendes Leid erzeugen, sagte der Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Uniklinikums Münster im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Die hohe Rate psychiatrischer Erkrankungen bei erwachsenen Transpersonen zeugt davon.“


Da die Behandlungsentscheidungen in jedem Einzelfall aber sehr komplex sein könnten, bedürfe es fachlicher Standards für die erforderliche medizinische Sorgfalt. Romer erklärte: „Kann bei sorgfältiger Indikationsstellung eine solche Behandlung in der Jugend beginnen, gehen diese Menschen als Erwachsene überwiegend unbeschwert durchs Leben.“

Romer zählt zu den Autoren einer von 27 medizinischen und psychotherapeutischen Fachorganisationen und zwei Patientenvertretungsorganisationen erarbeiteten medizinischen Leitlinie zum Thema, die nach seinen Worten voraussichtlich im Sommer veröffentlicht wird.

Gibt es eine Zunahme von transidenten Jugendlichen oder wird einfach offener darüber gesprochen? Zu beobachten sei eine allgemeine Zunahme des Phänomens, dass Jugendliche sich im Zuge ihrer Identitätsentwicklung auch vorübergehend in diversen queeren Rollen ausprobieren, so Romer. „Das dürfen wir allerdings nicht mit einer anhaltenden Geschlechtsinkongruenz gleichsetzen. Darüber hinaus gibt es in den vergangenen zehn Jahren auch eine stetige Zunahme transgeschlechtlicher Outings von Jugendlichen, die im Gesundheitswesen psychotherapeutische und medizinische Versorgung in Anspruch nehmen wollen.”

Er halte es für plausibel, so der Psychiater weiter, dass dies mit der zunehmenden Offenheit der Gesellschaft und den verbesserten Versorgungsangeboten im Gesundheitswesen zusammenhängt. „Auch hier gibt es eine Parallele zur Homosexualität, zu der sich heute deutlich mehr Jugendliche offen bekennen als noch vor 20 Jahren, wobei niemand deswegen ernsthaft behauptet, dass es heute mehr Menschen mit homosexueller Orientierung gibt.” (epd)