Reformprojekt holt alle ins Boot

Koordinatoren sorgen dafür, dass Termine gemacht und wahrgenommen werden. Symbolfoto:AOK Mediendienst

Nach langem Tauziehen wurde sie doch noch in dieser Legislatur auf den Weg gebracht: die sogenannte ambulante Komplexleistung. Das Reformprojekt soll die Versorgung von chronisch schwer kranken Menschen mit wiederkehrenden Krisen wesentlich verbessern, indem alle Beteiligte in ein Boot geholt werden und Bezugspersonen alle erforderlichen therapeutischen Maßnahmen koordinieren. Der Auftrag für das neue Reformprojekt war dem Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung erteilt worden.


Der G-BA-Vorsitzende Prof. Josef Hecken sprach von einer „schwierigen Beratungssituation“, an deren Ende aber „mit Zustimmung der Patientenvertretung ein einstimmig beschlossener Kompromiss gefunden“ worden sei.
Ziel der neuen Krankenkassenleistung namens KSVPsych-RL ist es, alle für die Versorgung benötigten Gesundheitsberufe zu vernetzen, und zwar auch, wenn Patientinnen und Patienten zwischen stationärer und ambulanter Versorgung wechseln müssen. Organisiert werden soll dies über neu zu gründende berufsgruppen- und sektorenübergreifende regionale Netzverbünde.

Jetzt müssen regionale Netzverbünde gegründet werden


Darin sollen jeweils mindestens zehn niedergelassene Fachärztinnen und Psychotherapeuten, stationäre Einrichtungen sowie Therapeuten verschiedener Fachrichtungen zusammenarbeiten – dies schließt ergo- wie soziotherapeutische, psychosomatische und psychosoziale Hilfen ebenso wie psychiatrische häusliche Krankenpflege ein. An den Netzverbund überweisen können alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztinnen und Psychotherapeutinnen, Sozialpsychiatrische Dienste und ermächtigte Einrichtungen, Krankenhäuser und Reha-Einrichtungen.

Psychotherapeuten-Vereinigung forderte bereits Nachbesserungen


Die Netzverbünde werden Eingangssprechstunden anbieten, so die Planung – „in der Regel soll die Patientin oder der Patient hier innerhalb von sieben Werktagen einen Termin wahrnehmen können“, teilte der G-BA weiter mit. Dabei wird der Behandlungsbedarf ermittelt und mit der Diagnostik begonnen. Zwei wichtige Säulen sind Bezugspersonen. Eine Bezugsärztin bzw. Bezugspsychotherapeutin ist verantwortlich für den Gesamtbehandlungsplan, in dem individuelle Therapieziele sowie der Bedarf an Heilmitteln, Soziotherapie oder psychiatrischer häuslicher Krankenpflege festgehalten werden. Die Koordination übernimmt dann eine nichtärztliche Person, die beispielsweise in Sozio- oder Ergotherapie oder in psychiatrischer Krankenpflege ausgebildet sein kann. Sie unterstützt die Patienten dabei, die einzelnen Behandlungsmaßnahmen wahrzunehmen,z.B. durch Terminvereinbarungen.


Es gab aber auch Kritik an dem neuen Angebot. Die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) etwa forderte bereits Nachbesserungen: Die verpflichtende Einholung einer somatischen Abklärung lehnt der Verband als zu große Hürde ab, Patientinnen hätten meist Befunde aus ihrer oft langen Behandlungshistorie. Für die Eingangsdiagnostik sei angesichts eines Psychiatermangels, gerade auf dem Land, ein Engpass programmiert.


Als nächstes soll ein vergleichbares Angebot für Kinder und Jugendliche auf den Weg gebracht werden – hierfür muss aber noch weiter beraten werden.