„Reden! statt schweigen”

Ex-Tagesschau-Sprecherin Dagmar Berghoff las Texte psychisch kranker Jugendlicher vor. Foto: Stiftung Freundeskreis Ochsenzoll

„reden! statt schweigen“ lautet das Veranstaltungsformat, mit dem die Stiftung Freundeskreis Ochsenzoll jetzt zum zehnten Mal in die Kulturfabrik Kampnagel einlud, um über psychische Erkrankungen aufzuklären. 300 Gäste informierten sich dabei in diesem Jahr über psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen.

Deutschen und internationalen Studien zufolge werden bei circa 20 Prozent aller Jugendlichen psychische Auffälligkeiten festgestellt und etwa 5 Prozent erkranken im weiteren Verlauf an einer mainfesten psychischen Erkrankung, teilte die Stiftung mit. Vor dem Hintergrund, dass eine psychische Erkrankung bei Jugendlichen und Jungerwachsenen der Hauptrisikofaktor für einen Suizid ist, die zweithäufigste Todesursache bei unter 25-Jährigen, könne dem Thema nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt werden – auch seitens der Schullandschaft. 

Durch den Abend führte Dr. Stephanie Wuensch, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Freundeskreis Ochsenzoll und Psychiaterin.  „Eine nicht sichere, frühkindliche primäre Bindung ist ebenso wie von Eltern gegenüber ihren Kindern nicht zugelassene frustrierende Erfahrungen, ein Risikofaktor für spätere psychische Auffälligkeiten. Im Rahmen von guten ambulanten und stationären Therapieangeboten, beziehungsorientierter Schulsysteme und einer starken und diversifizierten pädagogischen Familienhilfe können sehr oft eine erhebliche Nachreifung und psychische Stabilität erreicht werden“, führte sie in das Thema ein. 

Katharina Fegebank, Zweite Bürgermeisterin der Freien und Hansestadt Hamburg und Wissenschaftssenatorin, berichtete in ihrem Grußwort u.a. von kürzlich geführten Gesprächen mit psychisch beeinträchtigten Kindern und deren Eltern. Diese Einzelfallbetrachtungen hätten im Nachhinein bei ihr die Frage aufgeworfen, ob die aktuell bestehenden Versorgungsangebote wirklich so gut seien, wie es die Zahlen vermuten ließen.

Psychische Erkrankung erhöht Suizidrisiko erheblich

90 Prozent der Suizide bei Jugendlichen und jungen Heranwachsenden stünden in Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen, erklärt Dr. Angela Plaß-Christl, Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf, in ihrem Fachvortrag. So seien psychische Störungen, insbesondere Depressionen, Angststörungen und Abhängigkeitserkrankungen, der Hauptrisikofaktor für Suizidalität bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Betroffene hätten ein 3- bis 12-fach erhöhtes Suizidrisiko, so Plaß-Christl, und jeder vierte Patient einer kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung berichte von einem Suizidversuch in der Vorgeschichte. Suizidalität komme jedoch auch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ohne psychische Erkrankung vor, erklärte die Psychiaterin. Weitere Risikofaktoren für einen Suizid seien bspw. suizidales Verhalten in der Familie und im Freundeskreis, verminderte schulische Leistungen, sexueller Missbrauch und auch Kinder psychisch kranker Eltern weisen ein erhöhtes Risiko für Suizidversuche auf. 

Was tun? 

Die wichtigste Prävention für einen Suizid sei daher „die frühzeitige Diagnose und Behandlung psychischer Erkrankungen. Weitere Tipps: Das Thema ansprechen, und zwar in ruhiger und sachlicher Weise, ohne wertend zu sein. Die Befürchtung, man könne dadurch den Suizid erst provozieren, sei falsch. In aller Regel stelle es für einen suizidgefährdeten Menschen eine Entlastung dar, mit einer anderen Person über die quälenden Gedanken sprechen zu können. Wichtig sei zudem, sich nicht selbst als Therapeut zu versuchen, sondern professionelle Hilfe hinzuzuziehen und den Betroffenen bei der Suche nach Hilfe zu unterstützen und ihn zum Arzt oder in die Klinik begleiten.

In der abschließenden Podiumsrunde wurde u.a. die Rolle der Schule besprochen. Wie kann diese handeln, wenn bekannt wird, dass ein Schüler psychisch erkrankt ist?Auskunft dazu gab Dr. Anna Schleitzer, Schulleiterin am ahfs – Christliches Gymnasium Hamburg-Uhlenhorst.  Ein wertschätzender Umgang mit dem Jugendlichen sei enorm wichtig sowie auch dem Schüler das Gefühl zu vermitteln, dass er genauso angenommen wird, wie er ist, erklärte Schleitzer. Zudem sei es äußerst wichtig, den Betroffenen, sofern es die Erkrankung zulässt, im System Schule zu halten. Um dies zu erreichen, müsse bzw. könne man als Lehrer mitunter kreativ und mutig sein, bspw. indem man dem psychisch beeinträchtigten Schüler phasenweise einen verkürzten Stundenplan zugesteht.

Einen ausführlicheren Bericht lesen sie in der EPPENDORFER-Printausgabe die Anfang Januar erscheint.

(rd/Quelle: Pressemitteilung Stiftung Freundeskreis Ochsenzoll)