Psychologin fordert mehr Hilfen
für Kinder suchtkranker Eltern

Kinder suchtkranker Eltern erhalten nach Ansicht der Psychologin Corinna Oswald häufig keine angemessene Hilfe. „Unglaublich wichtig wären bundesweit flächendeckende Hilfsangebote für Kinder und Familien“, sagte Oswald dem Evangelischen Pressedienst (epd). Derzeit gebe es bundesweit nur etwa 200 Angebote.

In Deutschland leben Oswald zufolge etwa 2,65 Millionen Kinder, deren Eltern Alkohol missbrauchen oder abhängig sind. „Dazu kommen 40.000 bis 60.000 Kinder, deren Eltern Drogen konsumieren“, sagte die Psychologin, die Vorstandsmitglied des Vereins „Nacoa Deutschland – Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien“ ist.

Viele Hilfsangebote seien über Spenden oder eine zeitlich begrenzte Projektförderung finanziert. „Wenn die Angebote nach ein paar Jahren auslaufen, ist das fatal“, kritisiert Oswald. Die Kinder, die in ihren Familien kaum Verlässlichkeit erlebten, seien dringend auf Sicherheit und Stabilität der Hilfsangebote angewiesen. Daher brauche es eine Regelfinanzierung.

Die Kinder suchtkranker Eltern seien vielen Belastungen ausgesetzt, sagt Oswald, die in einer Suchtberatungsstelle in Neunkirchen im Saarland ein Angebot für Kinder und Jugendliche aufgebaut hat. „Die Hauptbelastung ist, dass die Kinder und Jugendlichen eben nicht Kinder und Jugendliche sein können.“ Sie übernähmen Aufgaben, die nicht kindgerecht seien und schlüpften oft in die Elternrolle. Schulisch blieben die Kinder häufig weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, auch wegen mangelnder Förderung durch die Eltern. Gleiches gelte für den Freizeitbereich: „Die suchtkranken Eltern erkennen die Bedürfnisse, Interessen oder Talente ihrer Kinder oft nicht und können sie daher nicht fördern“, erklärt die Psychologin.

Auch gesundheitliche Risiken seien bekannt. „Aus Erhebungen weiß man, dass gut ein Drittel der Kinder aus suchtbelasteten Familien selbst eine Sucht entwickelt“, sagt Oswald. Wiederum ein Drittel entwickle andere psychische Störungen. „Oft treten schon im Kindes- und Jugendalter Auffälligkeiten und Störungsbilder auf, die einer Behandlung bedürfen.“

Bei den Hilfsangeboten sei Aufklärungsarbeit wichtig, sagt die Expertin. „Wir erklären den Kindern und Jugendlichen, dass Sucht eine Erkrankung ist, die sie nicht verursacht haben und die sie nicht selbst heilen können.“ Durch die Corona-Pandemie haben sich bestehende Probleme Oswald zufolge weiter verschärft – insbesondere in Phasen des Lockdowns. Beispielsweise gebe es ohnehin oft wenig Struktur in den Suchtfamilien, was in diesen Zeiten teilweise zu einem gänzlich fehlenden Rhythmus geführt habe. (epd)