Preisgekrönter
Kaffeeklatsch

Fanclub-Sprecher Michael Krause bei einem Selbsthilfetag vor einer EPPENDORFER-Seite mit einem Bericht über den Club. Archivfoto: Lampe

Einmal im Monat lädt ein ganz besonderer St.-Pauli-Fanclub zum offenen Kaffeeklatsch ins Millerntor-Stadion ein: die Weiß-braunen Kaffeetrinker*innen. Viele von ihnen können auf eine jahrzehntelange Suchtgeschichte zurückblicken. Gemeinsam unterstützten sich die Fußballfans dabei, clean zu bleiben. Die Aktivitäten des Clubs sind in Corona-Zeiten eingeschränkt – um so mehr freuen sich die Mitglieder über den „Hamburger Selbsthilfepreis“ 2020 der Ersatzkassen, der in diesem Jahr an die Selbsthilfegruppe vergeben wurde.

Die Auszeichnung ist mit 2.500 Euro dotiert und wurde zum vierten Mal verliehen. Der Preis würdigt das herausragende Engagement der gesundheitsbezogenen Selbsthilfe und fördert innovative Konzepte, die zum Nachahmen anregen. 

„Fußball geht auch komafrei“

„Die ehrenamtlichen Lebenshelfer und Mutmacher leisten Großartiges“, sagt Kathrin Herbst, Leiterin der Landesvertretung Hamburg. „Sie geben den Betroffenen ein Wir-Gefühl und neuen Lebensmut, gerade auch in schwierigen Zeiten. Dieser Einsatz verdient unseren besonderen Dank.“

Die Selbsthilfegruppe „Weiß-Braune Kaffeetrinker*innen“ wurde von zwei langjährigen FC St. Pauli-Fans und Dauerkarten-Besitzern vor fast 25 Jahren gegründet. Sie hatten sich in einer stationären Entzugseinrichtung kennengelernt. Die Selbsthilfe-Gruppe trifft sich einmal im Monat im Fan-Laden des FC St. Pauli zu einem zwanglosen Austausch, der für Interessierte offen ist. Regelmäßig besuchen sie zusammen Heimspiele ihres Vereins und bieten für Alkoholabhängige in Therapie einen Begleitservice zu den Spielen an. Mit Kampagnen unter dem Motto „Fußball geht auch komafrei“ setzen sich die Mitglieder dafür ein, dass die Verknüpfung ihres Lieblingssports mit dem Suchtmittelkonsum kritisch hinterfragt wird. 

Zur Prävention: Besuche auf Entgiftungsstationen

Die Rückfallprävention bildet einen weiteren Schwerpunkt: Die Mitglieder der „Weiß-Braunen Kaffeetrinker*innen“ gehen regelmäßig in Entgiftungsstationen von Hamburger Krankenhäusern, um mit Patienten über sinnvolle Freizeitbeschäftigung nach dem Entzug, die Langzeittherapie und die Nachsorge ins Gespräch zu kommen. Aufgrund der Corona-Krise kann allerdings ein Teil der Aktivitäten der Selbsthilfe-Gruppe derzeit nicht oder nur mit Einschränkungen stattfinden.

Die Jury halte es für besonders preiswürdig, dass die Mitglieder der „Weiß-Braunen Kaffeetrinker*innen“ die Anonymität verlassen und öffentlich eine Debatte über den Umgang mit Alkohol im Fußballumfeld anstoßen, teilte die Landesvertretung Hamburg des Verbands der Ersatzkassen e.V. weiter mit. Als nachahmenswert würdigten die Jury-Mitglieder auch die Präventionsarbeit, die Menschen nach dem Entzug davor bewahren kann, erneut in die Sucht abzurutschen.

In der Hansestadt gibt es insgesamt rund 20.000 Aktive in über 1.000 gesundheitsbezogenen Selbsthilfe-Gruppen.

Weitere Informationen unter:  www.weiss-braune-kaffeetrinker.de