Opioide auf
dem Vormarsch

Heroinsüchtige geraten durch die Beimengungen von Fentanyl und anderer synthetischer Opioide in Lebensgefahr. Gefordert wird, Polizei und Rettungskräfte mit dem Notfallmedikament Naloxon auszustatten. Symbolfoto: pixabay

Fentanyl* & Co. sind in Deutschland angekommen – mit dieser schlechten Nachricht schreckte die Deutsche Aidshilfe (DAH) jüngst die Öffentlichkeit auf. Im Bundesmodell-Projekt RaFT („Rapid Fentanyl Tests in Drogenkonsumräumen“) der DAH seien im letzten Jahr 3,6 Prozent von 1401 Heroin-Proben positiv auf die Beimengung von lebensbedrohlichen synthetischen Opioiden getestet worden, teilte die Aidshilfe mit. Bundesländer und Kommunen müssten jetzt mit Maßnahmen vorsorgen und die Drogenhilfe stärken.

Das synthetische Opioid Fentanyl hat in den USA und Kanada als bewusst konsumierte Substanz und als Beimengung in illegal erworbenem Heroin zu einem massiven Anstieg drogenbedingter Todesfälle geführt. Von 107.000 Opioid-Toten in den USA im Jahr 2022 starben etwa 70.000 Menschen an den Folgen von Fentanyl, meldete die taz. Nun ist die Angst groß, dass es auch in Deutschland signifikant mehr Drogentote geben könnte, denn als Zusatz in anderen Substanzen sind illegal hergestellte synthetische Opioide auf dem Vormarsch, weil sie billig und einfach zu produzieren sind, so die DAH. Problem: Fentanyl, Nitazene und andere solche Substanzen wirken sehr viel stärker als Heroin.

Schon 2 Milligramm können tödlich wirken

„Während bei Heroin 200 Milligramm tödlich wirken, sind es bei Fentanyl schon 2 Milligramm. Wenn Konsumierende nichts von der Beimengung wissen, sind sie daher in Lebensgefahr“, warnt die DAH.
In Deutschland starben im Jahr 2022 nachweislich 83 Menschen unter Einwirkung synthetischer Opioide (Vorjahr: 102). Die wirkliche Zahl dürfte aber höher liegen, da bei drogenbedingten Todesfällen meist keine toxikologischen Gutachten erstellt werden, so die DAH. Die Daten aus dem RaFT-Projekt gäben nun einen ersten Anhaltspunkt zur Verbreitung von Fentanyl als Beimengung in Deutschland. Im Dezember sei bei einer polizeilichen Überprüfung in München Carfentanyl gefunden worden, das noch einmal sehr viel stärker wirke.

In Hamburg wurden die meisten Fälle dokumentiert


Hamburg gilt als Hochburg von Fentanyl in Deutschland: RaFT dokumentierte dort die meisten Fälle, gefolgt von Düsseldorf und Münster. Das Hamburger Abendblatt schlug denn auch Alarm: „Deutschlandweit wird nirgendwo mehr illegales Fentanyl gedealt als auf den Straßen der Hansestadt.“ Auch für die Beamten der Polizei Hamburg sei die Droge und vor allem der richtige Umgang damit und Hilfe für die Abhängigen mittlerweile ein ernstes Thema. So fordere die Polizeigewerkschaft GdP nun, Streifenpolizisten mit dem Notfallmedikament Naloxon auszustatten. Als Nasenspray verabreicht, könne dies bei den meist tödlich verlaufenden Atemlähmungen, die durch eine Überdosis Fentanyl hervorgerufen werden, schon in Händen von Laien enorm hilfreich sein.
Dies sieht auch die DAH so. „Naloxon hebt die Wirkung synthetischer Opioide auf. Es muss unter potenziellen Ersthelfenden (Rettungsdienste, Drogenhilfemitarbeiterinnen und -mitarbeiter, Polizei, Konsumierenden) verbreitet werden.“ Es brauche auch mehr Drogenkonsumräume, wo Naloxon ver-
abreicht werden könne, und mehr Schnelltests auf Fentanyl. Michael Freitag

(Erstveröffentlichung in der Printausgabe 2/24)

* Stichwort Fentanyl

Fentanyl ist ein künstlich hergestelltes Opioid, das 1960 erstmals hergestellt wurde. Es gehört zu den verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln. Fentanyl hat eine schmerzstillende Wirkung, die bis zu 100-mal stärker ist als die von Morphin. Das Medikament Fentanyl wird daher in der Regel erst bei starken oder chronischen Schmerzen verabreicht, die sich nicht mehr durch andere Schmerzmittel behandeln lassen. Im Rahmen einer Narkose oder zur Akutbehandlungen von Schmerzen wird Fentanyl intravenös gespritzt. Seit den 1990er Jahren werden auch Fentanyl-Pflaster eingesetzt, die ihren Wirkstoff über die Haut abgeben.  Überdosierungen mit Fentanyl sind lebensbedrohlich, da die Substanz wie alle Opioide die Atmung verlangsamt, bis hin zum Atemstillstand. Müdigkeit oder Bewusstseinsstörungen sind erste Anzeichen. rd / Quelle: www.durgcom.de