Essstörungen gelten als Frauenkrankheit. Doch mindestens jeder zehnte Betroffene ist ein Mann. „37 Grad” begleitete für das ZDF ein dreiviertel Jahr lang zwei junge Männer, die an Magersucht erkrankt sind, einer heimtückischen Krankheit, die als die tödlichste unter den psychischen Erkrankungen gilt.
„Männer, die über ihre Essstörung sprechen wollen, müssen gleich zwei Tabus überwinden: Sie leiden unter einer psychischen Krankheit und dann auch noch einer, die als Frauenkrankheit gilt. Essstörungen geben den Medizinern bis heute viele Rätsel auf. Noch immer versteht man nicht, warum die Psyche den Körper zerstört.
Wenn das Hobby zum Zwang wird
Markus ist 26, studiert in Münster und will Lehrer werden, als er mit Ausdauersport und Krafttraining anfängt, um muskulöser auszusehen. Was als Hobby beginnt, wird in kürzester Zeit zu einem Zwang. Er kann nicht mehr aufhören zu joggen und isst dabei immer weniger, bis er nur noch 38 kg wiegt – bei einer Größe von 1,94 Meter. Fast wäre er gestorben. Nach seinem letzten langen Krankenhausaufenthalt im Universitätsklinikum Bochum und einem Jahr intensiver Therapie in der Wohngemeinschaft von „Via Anni“ in Herne darf er in eine Therapiewohnung der Einrichtung umziehen. Dort muss er sich selbst versorgen und das Alleine-Leben üben, während er seine Therapie fortsetzt.
Markus will seine Krankheit nicht mehr verstecken. Er besucht die Männerselbsthilfegruppe „pappsatt“, deren Gründer Michael seine Anorexie erfolgreich überwunden hat. Und er macht mit bei einem Fotoprojekt der Künstlerin Mafalda Rakos, die sich seit vielen Jahren mit Essstörungen auseinandersetzt. Eine neue Zeit ist angebrochen: Und zum ersten Mal seit langer Zeit lebt Markus wieder alleine, ohne Hilfe und Kontrolle beim Essen. Wie wird er klarkommen?
Auslöser Instagram
Warum manche Menschen an einer Essstörung erkranken und andere nicht, kann bis heute nicht vollständig beantwortet werden. Inzwischen weiß man zumindest, dass mehrere Faktoren eine Rolle spielen: Gene, Hormone, psychische Probleme und gesellschaftliche Einflüsse. Der 19-jährige Elija aus der Nähe von Siegen war 16, als er Instagram und YouTube für sich entdeckte. Heute weiß er, dass die Fotos und Videos ein Idealbild entworfen haben, das für ihn als sportlichen, aber kräftig gebauten Jungen eigentlich nicht zu erreichen war. Elija trainiert jeden Abend im Fitnessstudio, später auch noch morgens vor der Schule und manchmal sogar in den Freistunden.
Parallel dazu folgt er den Diätplänen auf Instagram und verzichtet komplett auf Kohlehydrate – mitten im Wachstum. Er wird immer schwächer. Bis er bei einem Sportfest in der Schule, auf das er sich sehr gefreut hat, merkt, dass er gar keine Kraft mehr hat. Da wird Elija klar, dass es so nicht weiter gehen kann und er stellt sich der Krankheit. In der ambulanten Therapie der Einrichtung „LaVie“ in Siegen beginnt sein Weg aus der Magersucht. Elija will gesund werden und er will darüber aufklären, wie gefährlich die Schönheitsideale sein können. Er macht sich auf zu einigen der Instagram-Influencer.” (Quelle: ZDF)
“37°”-Dokumentation „Nur Haut und Knochen – Wenn Männer magersüchtig sind” am Dienstag, 21. Januar 2020, 22.15 Uhr. Weitere Informationen, auch zum Forschungsstand unter: https://www.zdf.de/dokumentation/37-grad/37-nur-haut-und-knochen-100.html