Von der Geisel zum
Resilienz-Trainer

Von Terroristen verschleppt: Marc Wallert im Dschungel. Foto: Privatarchiv Wallert

Wer eine psychische Krise erleidet, fühlt sich mitunter im Dschungel seiner Gefühle und Gedanken gefangen. Marc Wallert geschah dieser Albtraum in Wirklichkeit: Gemeinsam mit 20 weiteren Geiseln wurde er im Jahr 2000 mitten aus dem entspannten Tauchurlaub heraus von Terroristen auf eine philippinische Insel verschleppt. 140 Tage wurden sie dort gefangen gehalten, hausten auf Reissäcken und Bananenblättern, durchlitten Infektionen und Hungersnot, ohne zu wissen, ob sie jemals lebend befreit werden würden.

Ständige Todesgefahr

20 Jahre später hat der Autor die Erlebnisse nicht nur verarbeitet, sondern sogar daran auch gelernt. Wallert veranschaulicht in dem vorliegenden Buch allgemeine Grundsätze für das Durchstehen von Krisen am Beispiel seiner speziellen Erfahrung. Anschaulich, aber sachlich beschreibt er die dramatischen Zeiten im Dschungel. Ein Leben unter ständiger Todesgefahr, ohne Privatsphäre, ohne Sicherheit und unter prekären hygienischen Bedingungen. Sein Resumee: Die Krise hat ihn verändert, aber nicht dauerhaft verletzt.

Allerdings bleibt die Entführung keineswegs seine einzige Lebenskrise. Beziehungsprobleme und berufliche Orientierungslosigkeit sind lange Zeit seine Begleiter. Er arbeitet mit hohem Anspruch an sich selbst, geht über seine Grenzen und erleidet schließlich einen Burnout.

Aber alle diese schmerzhaften Erlebnisse bezeichnet Marc Wallert als seinen Erfahrungsschatz. Die Krisen haben ihn aus der Komfortzone des Lebens geworfen, und letztlich ist es ihm immer wieder geglückt, beruflich und privat Fuß zu fassen. Als Resilienz-Trainer und Burnout-Berater nutzt er heute unterdessen seine Krisenerfahrung, um Menschen und auch Organisationen zu beraten.

Positives Denken hilft nicht

In 18 kurzen Kapiteln erinnert er sich in seinem Buch an die Ausnahmesituation im Dschungel und analysiert, was ihm und den anderen geholfen hat. Weder positives Denken noch überschäumender Optimismus erwiesen sich als die besten Begleiter. Wer dagegen die Lage realistisch einschätzte, eine Befreiung zwar immer für möglich hielt, aber sich auch für weitere Wochen der Qual rüstete, konnte der stressigen Situation besser standhalten. Auch gruppendynamische Prozesse macht er anhand der Geiseln deutlich. Sie stammten aus verschiedenen Ländern und hatten keine gemeinsame Sprache, einer von vielen Stressoren.

Marc Wallert heute. Foto: Stephanie Wolff

Marc Wallert möchte mit seiner wechselvollen Biographie Menschen in Krisen inspirieren. Besonders wichtig ist ihm dabei die Message, dass es stets gelte, Probleme erst einmal zu akzeptieren und zu erkennen.

Schicksalsschläge, wie eben zum Beispiel eine Entführung, lassen sich nicht schön reden. Aber die Narben, die wir in Krisen davontragen, sollten wir nicht verheimlichen, sondern dazu stehen und sie als Erfahrungsschatz für unser weiteres Leben nutzen.

Verena Liebers

Marc Wallert: „Stark durch Krisen: Von der Kunst, nicht den Kopf zu verlieren“, 304 S.,
18 Euro, Verlag: Econ; 1. Auflage 2020, ISBN-10: 3430210291, ISBN-13: 978-3430210294

(Originalveröffentlichung EPPENDORFER 3/20)