In Berlin wurde virtuell ein deutschlandweit drittes Childhood-Haus eröffnet — ein Zentrum für Untersuchung und Betreuung von Kindern, die sexuellen Missbrauch oder schwere körperliche Gewalt erlebt haben. Trägerin ist die Charité, Initiatorin die 1999 von Königin Silvia von Schweden gegründete World Childhood Foundation.
In dem Haus sollen betroffene Kinder und Jugendliche in kinderfreundlichen Räumen und durch geschultes Personal untersucht, befragt und beraten werden. Dafür arbeiten hier verschiedene Professionen zusammen: Mediziner, Psychologinnen und Psychologen, Jugendamtsmitarbeiterinnen, Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht.
Ziel ist es, Untersuchungen und Befragungen des Kindes auf ein Minimum zu reduziere, um einer weiteren Traumatisierung vorzubeugen. Um es dem Kind zu ersparen, seine Geschichte vielen unterschiedlichen Menschen immer wieder erzählen zu müssen, wird das Interview in einem angrenzenden Raum von weiteren Fachkräften wie beispielsweise aus der Polizei, dem Jugendamt, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung verfolgt. Sie alle können über Technik Fragen an den Richter bzw. die Richterin weitergeben. Die Befragung wird aufgenommen und kann bei Gericht als Beweismittel dienen, sollte es zu einer Anzeige kommen. Dann muss das Kind nicht bei Gericht erscheinen.
Das Childhood-Haus nimmt die Idee des skandinavischen „Barnahus“ (wörtlich: „Kinderhaus“) auf und setzt es modifiziert in Deutschland um. Das Barnahus entstand aus dem Child Advocacy Model, das in den 1980er Jahren in den USA entwickelt wurde. Das erste Barnahus auf europäischem Boden wurde 1998 in Reykjavik errichtet, dann folgten andere skandinavische Länder (Schweden 2005, Norwegen 2007, Grönland 2011, Dänemark 2013). Ein erstes Childhood-Haus wurde in Deutschland im Herbst 2018 in Leipzig eröffnet, ein zweites existiert in Heidelberg.
Im vergangenen Jahr wurden laut „Polizeilicher Kriminalstatistik Berlin 2019“ im Durchschnitt jede Woche 15 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern in Berlin bekannt. Die Zahlen von Gewalt an Kindern sind um einiges höher. Deutschlandweit wird von rund einer Million Kinder ausgegangen, die sexuellen Missbrauch erlebt haben. (rd)