Lübeck: Ein Kaffee
und viele Hilfen

Auch Sprachförderung ist ein Bestandteil des neuen Projekts. Foto: DIE BRÜCKE Lübeck und Ostholstein

Angekommen in Deutschland – und dann? Bis Geflüchtete einen sicheren Status erhalten, sich um Arbeit und eine Wohnung bemühen können, vergehen Monate, manchmal Jahre. In dieser Zeit können sich vorhandene psychische Krankheiten verschlechtern oder neue entwickeln, aber der Weg ins Hilfesystem ist schwierig. In Lübeck wollen die dortige Brücke und die Stadt diese Versorgungslücke mit einem Integrationszentrum schließen.

„Als ich nach Deutschland kam, stand ich vor vielen Herausforderungen. Ich fühlte mich verloren und erschöpft“, berichtet Taiser, eine junge Frau, die vor vier Jahren mit ihrem Sohn aus dem Sudan floh und heute in Lübeck lebt. Sie fand den Weg in die Beratung, wo sie Unterstützung fand. Durch die Gespräche dort habe sie erst erkannt, dass sie psychisch krank war.

Weg ins Hilfesystem für Geflüchtete „aktuell nicht barrierefrei”


Der Weg ins Hilfesystem ist für Geflüchtete „aktuell nicht barrierefrei“, heißt es in einer Mitteilung der Brücke Lübeck anlässlich der offiziellen Eröffnung des Zentrums für kulturelle und psychosoziale Integration (ZKPI). Gründe seien die Sprachbarriere und die dadurch schwierige Verständigung mit Fachärzten, aber auch mangelndes Wissen um mögliche Hilfen sowie eine „kulturell bedingte Auffassung von Gesundheit und Krankheit“. Vor allem aber haben Menschen im Asylverfahren nur das Recht auf ein Minimum an Gesundheitsleistungen. Grundsätzlich gibt es Hilfe nur für akute Behandlungen.

Doch das reicht bei psychischen Erkrankungen oft nicht aus, wissen die Fachleute. Viele Geflüchtete leiden an stressbedingten psychischen Belastungen oder Erkrankungen wie posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). „Die Betroffenen werden immer wieder von den Erinnerungen an die traumatisierenden Erlebnisse und Panikattacken überwältigt. Dadurch sind ihre Alltagsfähigkeiten stark eingeschränkt. Es fällt es ihnen schwer, zu lernen oder sich an eine neue Umgebung zu gewöhnen“, erklärt Traumapädagogin Petra Jürgensen, die im ZKPI arbeitet. „Je länger die belastenden Zustände andauern, umso schwieriger die Heilung.“

Niedrigschwellige Angebote zum Kennenlernen


Mit niedrigschwelligen Angeboten wie „Deutsch lernen mit Kaffee“, Gesellschaftsspielen oder Gymnastik für Frauen können Menschen mit Migrationsgeschichte das Zentrum kennenlernen. Untergebracht ist es in einem Backsteingebäude, das früher Teil eines Kasernengeländes war und heute das Nachbarschaftsbüro Vorwerk-Falkenfeld beherbergt, in dem sich zahlreiche Gruppen treffen. Das Haus liegt in einem Lübecker Stadtbezirk, in dem der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte rund 40 Prozent beträgt.


Die nachmittäglichen Treffs mit Kaffee, Tee und Gesprächen stehen alles Interessierten offen. Aber sie sind nur ein Teil des Projekts, das die Brücke Lübeck gemeinsam mit dem Integrationsamt der Hansestadt organisiert. Das ZKPI will „passgenaue, interkulturell ausgerichtete Bausteine bieten, die leicht zugänglich sind und individuell ergänzt werden können“, heißt es in der Mitteilung. Neben dem offenen Nachmittagstreff gibt es eine Beratungsstelle, die über rechtliche Ansprüche informiert, bei der Antragstellung und beim Umgang mit Behörden hilft sowie bei Bedarf weitere Hilfen vermittelt.

Tagesstätte für psychisch belastete Menschen aus Nicht-EU-Ländern

Der dritte große Baustein ist eine Tagesstätte für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen aus Nicht-EU-Ländern. Diese Tagesstätte bietet 20 Plätze für Personen, die aktuell aufgrund psychischer
Einschränkungen nicht erwerbsfähig sind. Sie werden hier zur Gestaltung ihres Alltags und zur
Teilhabe am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben befähigt. Denn nur, wenn die Geflüchteten und Schutzsuchenden aus Drittstatten zeitnah geeignete Hilfen bekämen, könne die Integration gelingen, heißt es in der Mitteilung.


Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre angelegt. Finanziert werden die Kosten von 2,8 Millionen Euro zu 90 Prozent aus dem Asyl- Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union (AMIF). Den zehnprozentigen Eigenanteil von 280.000 Euro übernimmt die Lübecker Possehlstiftung.


Menschen wie die Sudanesin Taiser sind dankbar für das ZKPI: „Ich fühle mich im ZKPI bin wohl und sicher“, sagt junge Frau. Sie könne die deutsche Sprache üben und mehr über die deutsche Gesellschaft erfahren. (est)