Hinter Mauern

Patient in der offenen Tür der „Varekzelle" – einer Isolierzelle, die lediglich mit Seegras ausgestattet war. Die Patientinnen und Patienten wurden zuvor entkleidet. Der Patient trägt einen selbst gefertigten Rock, Schärpe, Stirnband und Strumpfbänder aus Varek und eine Krone. Rechts steht ein Wärter. Foto: Kantonale Irrenanstalt Waldau.

Viele Klinikarchive bewahren einen Schatz an historischen Fotografien und Glasdiapositiven aus der Zeit um 1900 auf. Meist waren es die Psychiater*innen selbst, die zur Kamera griffen, Anstalt und Umgebung, Patient*innen, deren Arbeitsalltag aber auch auf Freizeit und Feste und das Pflegepersonal fotografierten. Die Sonderausstellung “Hinter Mauern” der Heidelberger Prinzhorn-Sammlung zeigt ab 24. März erstmals eine Auswahl aus den umfangreichen Schweizer Beständen und untersucht die Fotografien auf ihre Funktion und Wirkungsweise hin. 

in vielen Kliniken haben sich Bestände von Glasdiapositiven, Fotoabzügen und Fotoalben erhalten, die bisher noch nie untersucht wurden. Die Diapositive setzten Psychiater*innen bei Vorträgen vor Fachkolleg*innen oder zur Ausbildung des Pflegepersonals ein. Manche der Fotos findet man auch in psychiatrischen Lehrbüchern wieder.

Aber was sollte man anhand des Porträts einer Patientin, eines Patienten erkennen können? Glaubte man, eine „Geisteskrankheit” zeige sich an äußeren Merkmalen? Darüber wurde an der Schwelle zum 20. Jahrhundert viel diskutiert. „Heute sehen wir keines der angeblichen Merkmale auf den Fotografien, aber wir erkennen die Aufnahmesituationen. Es sind ,gestohlene’, beklemmende Bilder“, schreiben die „Ausstellungsmacher“.

Andere Aufnahmen ließen die Kliniken von professionellen Studios aufnehmen. Sie sollten der Öffentlichkeit ein Vertrauen erweckendes Bild vom Leben in einer Anstalt vermitteln, dass ja sozusagen „hinter Mauern“, unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Auf diesen Bildern sind saubere, helle Innenräume, gepflegte Parkanlagen und arbeitende Patient*innen zu sehen.

Tanzanlässe und Wanderzirkusse

Eine dritte Gruppe zeigt die bescheidenen Abwechslungen wie Tanzanlässe, Wanderzirkusse oder Theateraufführungen, die das monotone Leben in der Anstalt auflockerten.

Das Museum Sammlung Prinzhorn zeigt zusätzlich zur Fotografie-Ausstellung Werke aus der eigenen Sammlung, die den Alltag in psychiatrischen Institutionen um 1900 widerspiegeln und die fotografische Dokumentation aus der Perspektive der internierten Männer und Frauen ergänzen. In den Werken seien damals gängige – und wenig öffentlichkeitswirksame – Behandlungsmethoden wie Dauerbad oder Bettfixierung festgehalten, sie thematisieren das Anstaltsessen und zeigen Szene aus Arbeitstherapie und Freizeitbeschäftigung, so die Ankündigung. 

Hinter Mauern – Fotografie in psychiatrischen Einrichtungen der Schweiz 1880–1935. Ausstellungsdauer: 24. März bis 31. Juli 2022. Sammlung Prinzhorn, Voßstraße 2, 69115 Heidelberg, mehr unter: www.sammlung-prinzhorn.de