Seit ihrer Kindheit muss die Filmemacherin Yasmin C. Rams Medikamente gegen ihre Epilepsie nehmen. Angesichts ihrer eigenen Frage, ob es für sie nicht auch andere Behandlungsmethoden geben könnte, machte sie sich auf eine filmische Reise, um verschiedene Ansätze der sogenannten Komlementärmedizin zu erkunden. Das Ergebnis ist am 10. Juli (22.25-0.10 Uhr) auf 3sat zu sehen. Als die Dokumentation voriges Jahr ins Kino kam, beschrieben wir sie in der Printausgabe 3/2022 so:
Yasmin C. Rams ist Dokumentarfilm-Regisseurin und Produzentin – und sie leidet seit ihrer Kindheit an Epilepsie. Daher muss sie viele Medikamente nehmen, die schwere Nebenwirkungen verursachen können. Ebenso wie ihr Vater, der an Parkinson erkrankt ist. Die Suche nach einem alternativen, besseren Umgang mit der Krankheit bzw. gar nach Heilung machte die 36-Jährige zum Thema ihres ersten abendfüllenden Dokumentarfilms. Er heißt „Heil Dich doch selbst“ und gibt einen sehr persönlichen Einblick: Rams nimmt den Zuschauer mit auf eine große Reise, die nicht nur zu verschiedenen Protagonisten führt, die gegen MS, Parkinson oder Krebs kämpfen, sondern in deren Mittelpunkt ihr eigener großer Selbstversuch steht.
Ihr Vorgehen ist von einer offenen Haltung geprägt
Ihr Vorgehen ist dabei von einer offenen Haltung geprägt und bewegt sich jenseits von Dogmatismus, was die Dokumentation auszeichnet. Zu sehen ist eine ehrliche Suche, an deren Ende sich neue Perspektiven auf Körper und Gesundheit eröffnen, die wertvolle Anregungen bieten: für kranke Menschen – aber auch für Medizin und Gesundheitspolitik. Dabei transportiert „Heil Dich doch selbst“ aus ganzheitlicher Perspektive zugleich Kritik an symptomorientierter, westlicher Medizin als auch den Appell an Kranke, Selbstverantwortung zu übernehmen und bei körperlichen Erkrankungen den eigenen mentalen Zustand nicht außen vor zu lassen und zu erforschen.
Anfangs lebt der Film auch von einem Gegensatz. Der parkinsonkranke Vater kann die Suche der Filmemacherin nicht verstehen. Alternativmediziner sind für ihn „Quacksalber“, die nur Geld machen wollen. Das bringe nichts. Doch Rams geht ihren Weg. Sie findet Inspiration bei ihrer Freundin Hillary, die seit zehn Jahren ohne Medika-mente symptomfrei mit Multipler Sklerose lebt. Mithilfe von Yoga und anderer Ernährung. Das führt Rams zu Ayurveda. Und zu Prof. Dr. Horst Przuntek, Leiter der Abteilung für komplementärmedizinische Neurologie am Evangelischen Krankenhaus (EvK) in Hattingen. Das Mikrobiom sei verändert, sagt er, Parkinson beginne im Darm.
Die Regisseurin setzt nunmehr auf Kräuter …
Die Regisseurin setzt nunmehr auf auf Kräuter und kocht pflanzenreich, ohne Fleisch, Milch und Zucker. Und sie reist um die Welt. So zu Howard, der der Parkinson-Diagnose mit Qigong und TCM erfolgreich trotzt. Letztere verbinde Emotion mit Organen, stelle eine Beziehung her. Er erklärt der Suchenden, dass seine Heilung erst nach Selbsterforschung begonnen habe. „Erst als ich es lernte, mich selbst zu mögen, schaffte ich es über den Berg.“
Rams hingegen sieht man plötzlich mit zerschundenem Gesicht in einer Klinik. Eine Schwindelattacke beim Joggen – ein Rückfall, den sie auf Berufsstress und zu wenig Geld für die Kräutertherapie zurückführt. Schließlich trifft sie eine Entscheidung. „Ich habe bisher nur versucht, Medikamente zu ersetzen und den mentalen Teil der Heilung vergessen.“ Sie habe sich wohl zu sehr auf den Vater konzentriert, der fortan in den Hintergrund rückt.
Schließlich sucht sie einen Ayahuasca-Schamanen auf
Sie selbst begibt sich nun in die Hände eines Hypnotherapeuten, um unbewusste Fähigkeiten nutzbar zu machen. Sie fühlt sich super danach, fühle sich nun mit dem Körper verbunden, sagt sie, spüre ein Urvertrauen in den Körper. Da hört sie von Miguel, einem Kolumbianer, der nach 35 Jahren von Epilepsie geheilt worden sein soll. Sie reist nach Südamerika, um den Ayahuasca-Schamanen selbst aufzusuchen. Für den „Taita“, lernen wir, ist Krankheit auch ein psychisches Problem. Es ist die Rede von einer psycho-physischen Wirkung des Halluzinogens, das als Wurzelsud gereicht wird. Soll sie es wagen? „Ich habe Angst, meine Kontrolle komplett an eine Substanz abzugeben“, teilt sie vor der Kamera ihre Zweifel mit. Nach diesem Versuch und am Ende des Films ist die Krankheit nicht weg, doch geht es der Regisseurin deutlich besser. Die Krankheit sei noch da, kontrolliere aber nicht mehr ihr Leben, sagt sie. Gewonnen habe sie ein tiefes Vertrauen in ihren Körper.
Ihre Quintessenz: „Ich merkte, dass es vor allem ich selbst bin, die Verantwortung für meinen Körper übernehmen muss und lernen muss, auf ihn zu hören. Wenn man sich mit ihr jedoch tiefer auseinander setzt, kann sie einem unter Umständen auch die Tür zu einer komplett neuen Welt eröffnen“, so die Regisseurin des Films, dem die Deutsche Film- und Medienbewertung das Prädikat „besonders wertvoll“ verlieh. Zu recht. Anke Hinrichs