„Gott”, der Film und die Kritik

Ein fiktiver Ethikrat verhandelt das Recht auf ärztliche Hilfe beim Suizid. Foto: © ARD Degeto/Moovie GmbH/Julia Terjung

Gibt es ein Recht auf Suizid? Dieses Thema wurde jetzt bei einem  TV-Event der Sonderklasse verhandelt: Auf eine hochkarätig besetzte Verfilmung des Theaterstücks „Gott von Ferdinand von Schirach“ folgen eine Zuschauerabstimmung und eine Diskussion bei „hart aber fair”. Mediziner und Psychologen haben das Ganze im Vorfeld in einem offenen Brief kritisiert: Die Frage müsse vielmehr lauten, ob es einen Rechtsanspruch auf assistierten Suizid gebe. Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) schloss sich dem an und bezog ebenfalls kritisch Stellung. Die Zuschauer*innen würden in dieser Form zu einem »Urteil« verführt, das durch die dramaturgische Zuspitzung wesentliche Gesichtspunkte außer Acht lasse oder sich auf falsche Fakten berufe.

Dieses Szenario diente als Ausgangspunkt: Der 78-jährige ehemalige Architekt Richard Gärtner (Matthias Habich) möchte seinem Leben ein Ende setzen. Dies soll jedoch nicht im Ausland, sondern ganz legal mit der Hilfe seiner Hausärztin geschehen. Für diese kommt es aus persönlicher Überzeugung nicht infrage, ihrem zwar betagten, aber gesunden Patienten ein todbringendes Präparat zu besorgen. 

Richard Gärtners Fall wird in dem  Kammerspiel „GOTT“ exemplarisch vor dem – fiktiven – Deutschen Ethikrat verhandelt. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Mediziner dem Patientenwunsch eines Lebensmüden gerecht werden müssen – egal ob jung, alt, gesund oder krank.  Ausgangspunkt ist die Aufhebung des Verbots der „geschäftsmäßigen“ Sterbehilfe durch das Bundesverfassungsgericht im Februar dieses Jahres. Am Ende konnten die Zuschauer in einer Liveabstimmung selbst entscheiden – 70 Prozent stimmten für „ja”.

„Die handelnden Personen“, heißt es in einem offenen Brief, den Kritiker schon vor der Sendung veröffentlichten, „entsprechen zum Teil einem Zerrbild und auch die Fakten entsprechen zum Teil nicht dem aktuellen wissenschaftlichen Stand.“ Auch fehlten die Positionen der modernen Suizidprävention. Gerade die Suizidprävention und die Palliativmedizin versuchten den Menschen in seiner Not anzunehmen, mit ihm gemeinsam Wege in der krisenhaften Situation zu finden und mit ihm zu einer selbstbestimmten Entscheidung zu gelangen. Am Ende könne dies – wenn auch eher selten – in einen Suizid münden. Meist fänden sich andere Lösungen. Allerdings ende diese Arbeit nicht darin, dem Protagonisten ein Suizidmittel zur Verfügung zu stellen, heißt es in dem Brief weiter. Dieser wurde u.a. auch von Georg Fiedler (ehemals Therapie-Zentrums für Suizidgefährdete in Hamburg), Iris Hauth (Ärztliche Direktorin, Alexianer St. Joseph Berlin-Weißensee) sowie Ute Lewitzka (Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden) und Andreas Reif (Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie) unterzeichnet. 

Die Kritiker monieren auch sachliche Mängel: So senke die Zulassung des assistierten Suizids keine Suizidraten, wie das Beispiel der Niederlande zeige. Sie verhindere auch keine „harten“ Suizide. Die Alternative zu einem selbstbestimmten Tod sei nicht, „sabbernd“ und „an Schläuchen hängend“ im Krankenhaus zu sterben, sondern eine leidensmindernde Behandlung zu erhalten.

Die DGSP machte, insbesondere im Hinblick auf die Situation psychisch erkrankter Menschen, bereits in ihrer Stellungnahme vom 3. August 2020 zur Aufhebung des Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) Eingaben für eine Ausgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. „Die sind im gesellschaftlichen Diskurs allerdings leider noch sehr wenig beachtet worden”, so Christel Achberger, erste Vorsitzende der DGSP. „Sie betreffen neben einem multiprofessionellen Begutachtungs- und Beratungsverfahren (z.B. auch Schuldner-, Erziehungs- oder Suchtberatung) und dem weiteren Ausbau von Präventionsangeboten vor allem auch eine Abwendung der Verpflichtung zur Hilfe bei Selbsttötung.” In „Gott” ist es eine Ärztin, die zur Gabe eines tödlichen Mittels verpflichtet werden soll, in anderen Fällen sei es womöglich ein*e nahe*r Angehörige*r, der*die durch die Bitte nach Hilfe zur Selbsttötung in schwere Gewissenskonflikte gestürzt werden könnte. Achberger: „Hier ist nach wie vor der Gesetzgeber in der Pflicht, sich dem Thema mit genaueren Regelungen und umfangreicheren Angeboten zu widmen.”

Wer mehr Interesse an wissenschaftlichen Positionen hat, kann am 17. Dezember ab 9.30 Uhr eine öffentliche Anhörung zum Thema „Recht auf Selbsttötung?“ des echten Ethikrats im Internet  verfolgen.  Nachdem bei einer ersten Veranstaltung am 22. Oktober die normativen Fragen einer Freiverantwortlichkeit im Vordergrund standen, geht es jetzt u.a. um Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen, im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen sowie im Kontext palliativer Versorgung und als Form der Lebensbilanzierung (s.a. www.ethikrat.org).  

(„Gott von Ferdinand von Schierach”: bis 23.12. in der Mediathek)

(Link zum offenen Brief: https://dynamic.faz.net/download/2020/offener-brief-suizid.pdf).

(Link zur DGSP-Stellungnahme: https://www.dgsp-ev.de/fileadmin/user_files/dgsp/pdfs/Stellungnahmen/2020/DGSP_Stellungnahme_Hilfe_zur_Selbsttoetung_2020.pdf)

(Link zum Urteil: www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/02/rs20200226_2bvr234715.html).