Erste Hilfe für die Psyche

Psychische Erkrankungen bei Freunden und Angehörigen erkennen: Dabei soll das Ersthelferprogramm unterstützen. Foto: Unsplash

Was tun, wenn eine Freundin über längere Zeit niedergeschlagen ist und sich immer mehr zurückzieht? Wie regieren, wenn der Kollege seine Arbeit nicht mehr wie gewohnt bewältigen kann und immer wieder gereizt reagiert? Fast jeder kennt in seinem persönlichen Umfeld Menschen mit psychischen Problemen. Viele sind in solchen Situationen unsicher und wissen nicht, wie sie angemessen reagieren sollen. Dabei kann jeder lernen, Menschen in psychischer Not hilfreich zur Seite zu stehen.

Erste Hilfe für psychische Gesundheit

Die gemeinnützige Initiative für Gesundheitsbildung MHFA Ersthelfer ist nun mit einem Kursangebot in Deutschland gestartet, das Menschen befähigen soll, Erste Hilfe für psychische Gesundheit zu leisten. „Es ist wichtig, psychische Probleme bei Angehörigen, Freunden oder Arbeitskollegen zu erkennen, auf die Menschen zuzugehen und Hilfe anzubieten“, sagt Prof. Dr. Michael Deuschle, Leiter von MHFA Ersthelfer und zugleich Leitender Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim. Je früher Betroffene professionelle Hilfe erhalten, desto besser sind die Chancen, gesund zu werden, verdeutlicht Deuschle.

Australisches Konzept

Das Konzept wurde ursprünglich in Australien entwickelt. MHFA steht für Mental Health First Aid. Seit der Gründung im Jahr 2000 ist daraus eine globale Bewegung geworden. Inzwischen ist das Programm weltweit in 24 Ländern aktiv. Über vier Millionen Menschen sind bereits in Ersthelfer-Kursen geschult worden, unter anderem in Australien, den USA, England und Dänemark. Die Inhalte der Kurse basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und wurden wiederholt in wissenschaftlichen Studien überprüft. 

ErsthelferInnen ersetzen keine professionelle Hilfe

In einem zwölfstündigen Kurs kann sich jeder zum Ersthelfenden ausbilden lassen. „Es geht nicht darum, professionelle Hilfe zu ersetzen“, stellt Dr. Simona Maltese, Mitarbeiterin von MHFA Ersthelfer klar.

Durch die Kurse lernen ErsthelferInnen, in ihrem eigenen Umfeld rechtzeitig Anzeichen von psychischer Schwierigkeiten, Alkohol- und Drogenproblemen zu erkennen, Zugang zu Betroffenen zu finden und diese zu ermutigen, sich Hilfe zu suchen. Auf diese Weise werden professionelle Behandlerinnen wirkungsvoll unterstützt. In den Kursen wird Wissen über die häufigsten psychischen Störungen wie Depressionen, Angststörungen, Psychosen und Substanzabhängigkeit vermittelt und mithilfe von Rollenspielen vor allem die Gesprächsführung beziehungsweise das richtige Zuhören geübt. 

Dr. Simona Maltese, Mitarbeiterin von MHFA Ersthelfer

Die MHFA-Ersthelfer-Kurse sind ein Angebot für Erwachsene. Das Programm ist insbesondere für Unternehmen, Institutionen, soziale und öffentliche Einrichtungen bedeutsam – zum Beispiel für Polizisten, Lehrerinnen, Sozialarbeiter, Krankenschwestern oder Juristen. Unternehmen und Organisationen, die die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen stärken wollen, können von MHFA Ersthelfer Angebote für Kurse erhalten.

Psychische Probleme stärker ins Bewusstsein bringen

Neben ErsthelferInnen bildet MHFA Ersthelfer auch Instruktorinnen und Instruktoren aus. Dieses Angebot richtet sich an Menschen, die über Fachwissen zu psychischen Störungen verfügen und Behandlungserfahrung haben. Geschulte InstruktorInnen können nach ihrer Ausbildung selbst Ersthelfer-Kurse anbieten. Dieses Train-the-Trainer-System soll es ermöglichen, künftig flächendeckend in Deutschland MHFA-Ersthelfer-Kurse anbieten zu können.

Erste Hilfe bei körperlichen Erkrankungen zu leisten, ist in unserer Gesellschaft akzeptiert und weit verbreitet. Die Hilfe bei psychischen Problemen müssen wir hingegen noch viel stärker ins Bewusstsein der Menschen bringen. 

Dr. Tabea Send, Mitarbeiterin von MHFA Ersthelfer

MHFA Ersthelfer wird getragen vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim in Partnerschaft der Beisheim Stiftung.