Alzheimer: Das große Versprechen

Ein Mittel gegen Alzheimer wäre ein enormes Geschäft. Doch ein Durchbruch ist weit und breit nicht in Sicht. Laborfoto: Pixabay

Seit Jahren versuchen Pharmafirmen, neue Medikamente gegen Alzheimer auf den Markt zu bringen. Doch die Hinweise mehren sich, dass die gesamte Branche in einer Sackgasse steckt. Der oft verkündete Durchbruch ist weit und breit nicht zu sehen, so die Wissenschaftsjournalistin und Buchautorin Cornelia Stolze in einem Bericht, den der EPPENDORFER in seiner aktuellen Printausgabe veröffentlichte.  

Einige Konzerne investieren trotzdem weiter. Allein zwischen 2002 und 2012 führten sie weltweit mehr als 400 klinische Studien mit 244 Testmedikamenten an Tausenden von Patienten und Gesunden durch. Doch Projekt um Projekt wurde gestoppt, weil die Substanzen keinen Effekt bewirkten und/oder die Nebenwirkungen zu groß waren. Allein im vergangenen Jahr seien innerhalb weniger Monate drei größere Alzheimer-Projekte gescheitert.  Den wohl schwersten Schock versetzte der US-Konzern Pfizer allen Hoffenden bereits kurz zuvor: Im Januar 2018 hatte der Branchenführer offiziell mitgeteilt, ab sofort aus der Alzheimerforschung auszusteigen. 

Es geht um die Frage, ob es je eine Pille gegen Vergesslichkeit und Verwirrtheit geben wird. „Und es geht um die Frage, wie glaubwürdig die Aussagen führender Fachleute in diesem Bereich der Medizin sind“, so Cornelia Stolze.  Im Fokus steht dabei die Hypothese, dass die geistige Umnachtung vieler älterer Menschen vor allem eine Ursache habe: die Alzheimer-Krankheit. Hervorgerufen von bestimmten Proteinablagerungen im Gehirn, sogenannten Amyloid-Plaques. Doch: Studien hätten gezeigt, dass rund ein Drittel aller normal alternden Menschen große Mengen von Amyloid-Plaques im Gehirn aufweist – ohne Anzeichen einer Demenz. 

Namhafte Alzheimer-Forscher würden dennoch an ihrer Theorie festhalten, sprächen nun davon, dass  Amyloid  nicht direkt Alzheimer hervorrufe,  aber ein „ganz wesentlicher Faktor“ sei. Arzneimittelfirmen wie Biogen, Novartis und Roche „haben noch rund 85 Substanzen gegen Demenz im Rennen, die sich in klinischen Studien befinden. Fast alle Präparate richten sich gegen das Eiweiß Amyloid.“

Inzwischen werde argumentiert, der Grund für das jahrelange Scheitern aller klinischen Studien liege nicht darin, „dass man auf der falschen Fährte sei und die getesteten Wirkstoffe nutzlos und schädlich sind. Vielmehr habe man bisher nur nicht früh genug mit der Behandlung begonnen. Die Alzheimer-Krankheit würde nämlich schon 20 bis 30 Jahre vor dem Auftreten der ersten Symptome entstehen. Wer Alzheimer erfolgreich bekämpfen wolle, müsse schon Jahre, bevor irgendwelche Anzeichen von Vergesslichkeit aufgetaucht sind, mit der Therapie beginnen.”

In den klinischen Studien würden die beteiligten Mediziner indes nur prüfen, ob das Mittel bestimmte Messwerte im Körper – sogenannte Biomarker oder Surrogatmarker – verändert. Erscheint der Verlauf der Messwerte gut, gelte die Behandlung als Erfolg. Die Zulassung von Medikamenten auf Basis von Surrogatmarkern sei weit verbreitet. Dabei führten sie oft in die Irre – so wie im Falle des Diabetesmittels Avandia: Das habe zwar einen wichtigen Blutzuckerwert gesenkt,  aber bei Zehntausenden Patienten einen Herzinfarkt verursacht, mehrere Hundert seien gestorben, so Stolze in ihrem Beitrag „über ein Geschäft mit der Hoffnung – und die Angst vor dem großen Vergessen“.   (rd)

Vollständiger Bericht im aktuellen EPPENDORFER 2/ 2019. Ein kostenloses Probeexemplar können Sie unter info@eppendorfer.de anfordern.