Robotertechnik kann pflegebedürftigen Menschen zu einer höheren Lebensqualität verhelfen und die Arbeit von Pflegekräften erleichtern, wenn der Mensch im Mittelpunkt steht. Zu dieser Einschätzung kommt der Deutsche Ethikrat in seiner Stellungnahme „Robotik für gute Pflege”. Befürchtungen zum Einsatz von mehr Technik seien aber berechtigt, stellt der Ethikrat fest und spricht Empfehlungen aus, damit Fehlentwicklungen vermieden werden.
Kein Ersatz für zwischenmenschliche Beziehungen
Zentral für einen ethisch vertretbaren Einsatz von Robotertechnik ist aus Sicht des Ethikrats, dass technische Hilfsmittel zwischenmenschliche Beziehungen nicht ersetzen, sondern sie ergänzen. Roboter dürften nicht gegen den Willen der Gepflegten oder der Pflegenden eingesetzt werden und auch nicht, um allein die Effizienz einer Pflegeeinrichtung zu steigern. Der Einsatz von Robotik sei kein Weg, um Personalengpässe zu beseitigen, sondern um die Qualität der Pflege zu verbessern, stellt der Ethikrat fest.
Senioren mögen Roboter – <br> wenn sie menschlich aussehen
Eine neue Studie von Psychologinnen und Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena legt unterdessen nahe, dass ältere Menschen weit weniger mit „Maschinenmenschen“ fremdeln als bisher vermutet.
Während ihrer Versuchsreihe, deren Ergebnisse sie im Fachmagazin „Computers in Human Behaviour“ nun veröffentlichten, haben die Jenaer Experten 30 rund 70 Jahre alten und 30 rund 20 Jahre alten Probanden Videos von verschiedenen Robotern gezeigt. Die Versuchspersonen sollten dabei bewerten, ob sie den jeweiligen Roboter sympathisch oder bedrohlich empfinden, und ob sie ihn sich als täglichen Begleiter vorstellen könnten. „Die älteren Probanden schätzten die Maschinen dabei deutlich positiv ein – und standen ihnen sogar aufgeschlossener gegenüber als die jüngere Vergleichsgruppe“, sagt Prof. Dr. Stefan Schweinberger von der Universität Jena.
„Eine in der Wissenschaft häufig vermutete Roboterskepsis konnten wir somit bei den Senioren nicht bestätigen.“
Prof. Dr. Stefan Schweinberger, Universität Jena
Es sei zwar nur eine relativ kleine Versuchsreihe, zwei weitere bisher noch nicht publizierte Jenaer Studien kämen aber zum gleichen Ergebnis. Entscheidend sei gewesen, wie menschlich die Maschinen gestaltet waren, ob sie also beispielsweise Gesichtszüge, Arme und Beine aufwiesen und wie menschenähnlich diese wirkten. Die neuen Erkenntnisse könnten möglicherweise Hilfestellung beim Design von Service-Robotern geben.
Betroffene sollen einbezogen werden
Damit die Roboter für eine bessere Qualität in der Pflege auch wirklich nützlich sind, müssten allerdings laut Ethikrat hilfsbedürftige Menschen und Pflegekräfte bereits in die Entwicklung neuer robotischer Hilfsmittel einbezogen werden. Beim Einsatz müsse klar sein, wer die Verantwortung für einen ordnungsgemäßen Gebrauch trage. Die Finanzierung und der Einsatz von Robotik dürfe nicht dazu führen, dass in anderen Bereichen der Pflege Mittel gekürzt würden, verlangt der Ethikrat. Pflegeeinrichtungen sollten in ihren Leitlinien bestimmen, wo und in welchem Umfang Roboter zum Einsatz kommen können – und wo nicht.
Orientierung am tatsächlichen Bedarf
Generell sollte sich die Entwicklung und die Zulassung von Robotik für die Pflege nicht am technisch Machbaren, sondern am tatsächlichen Bedarf orientieren, erklärt der Ethikrat. Der Gesetzgeber und die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen müssten sicherstellen, dass alle Patienten gleichermaßen Zugang zu den neuen technischen Hilfsmitteln erhalten.
Roboter auch für Autisten hilfreich?
Schweinberger und sein Team von der Uni Jena analysierten während ihrer Versuche zudem, inwieweit die Testpersonen autistische Persönlichkeitszüge aufwiesen. „Obwohl an der Studie keine Probanden mit einer Diagnose Autismus teilnahmen, gilt das Autismus-Spektrum heute als Kontinuum, auf dem sich alle Menschen in mehr oder minder großer Ausprägung befinden. Stärker ausgeprägte autistische Persönlichkeitszüge auf einer entsprechenden Skala geben uns dabei möglicherweise weitere Hinweise auf die Offenheit der Menschen gegenüber den Maschinen“, erklärt der Jenaer Psychologe. Denn frühere Studien belegen, dass Menschen mit stärker ausgeprägten autistischen Zügen aufgeschlossener gegenüber Robotern sind. Der Kontakt zwischen beiden wird sogar als therapeutischer Ansatz genutzt. „Menschen mit Autismus haben häufig Defizite im Bereich der sozialen Kommunikation, können beispielsweise Gesichtsausdrücke nicht richtig deuten. Ihnen ist wichtig, dass ihre Umwelt vorhersagbar ist“, sagt Schweinberger.
„Ein Roboter könnte mit seiner automatisierten – und im Vergleich mit einem menschlichen Partner besser vorhersagbaren – Kommunikation hier helfen.“
Prof. Dr. Stefan Schweinberger, Universität Jena
Aufgrund der geringen Probandenanzahl seien hierzu in der Jenaer Studie zwar keine belastbaren Zahlen hervorgetreten. Leichte Tendenzen sprechen aber dafür, dass autistischer veranlagte Menschen einen besseren Draht zu Maschinen haben. Gerade bei älteren Menschen sind solche Persönlichkeitsmerkmale stärker ausgeprägt, was die Offenheit gegenüber den Robotern möglicherweise begünstigt. Weitere Studien in diesem Bereich sollen folgen, um die immer gegenwärtiger werdende Beziehung zwischen Mensch und Maschine besser zu verstehen. (rd)