Medizin unterm Hakenkreuz

Prof. Sauerbruch (Ulrich Noethen, l.) und Martin Gruber (Jacob Matschenz, r.) kümmern sich um den schwerverletzten Otto Marquardt (Jannik Schümann, M.). © ARD/Julie Vrabelova

Am 19. Februar, 20.15 Uhr,  startet in der ARD die zweite Staffel der Serie „Charité“. Sie spielt in den letzten beiden Jahren des Zweiten Weltkrieges. Im Mittelpunkt steht der weltberühmte Chirurg Ferdinand Sauerbruch – thematisch wird der Blick auf die Euthanasie, den Massenmord an Patienten gelenkt. Zum Auftakt wird auch die begleitende Dokumentation „Die Charité – Medizin unterm Hakenkreuz“gezeigt. Die Charité selbst bereitet in ihrem Medizinhistorischen Museum eine Sonderausstellung vor. 

Die Story in Kurzfassung: Anni (Mala Emde) studiert während des Zweiten Weltkriegs Medizin an der Charité und ist überzeugt von der Rassen-Ideologie der Nazis. Sie erwartet freudig ein Kind des angesehenen Kinderarztes Dr. Artur Waldhausen (Artjom Gilz). Als sich jedoch ausgerechnet das Baby des „arischen Vorzeigepaares“ nach der Geburt nicht normal entwickelt, müssen Anni und Artur schwere Entscheidungen treffen. 

Prof. Dr. Ferdinand Sauerbruch (Ulrich Noethen) führt spektakuläre Operationen durch, assistiert von seiner deutlich jüngeren Frau Margot (Luise Wolfram) und dem zwangsverpflichteten Franzosen Dr. Adolphe Jung (Hans Löw). Sauerbruch wird immer wieder um Hilfe gebeten, etwa von seinem ehemaligen Kollegen Karl Bonhoeffer (Thomas Neumann), dessen Schwiegersohn Hans von Dohnanyi (Max von Pufendorf) in der Charité Schutz vor der NS-Justiz finden soll. Gleichzeitig treibt der Leiter der Psychiatrie, Max de Crinis (Lukas Miko), das Euthanasieprogramm voran.

Prof. Dr. Ferdinand Sauerbruch begrüßt anfangs zusammen mit anderen Hochschullehrern den Nationalsozialismus, doch im Laufe der Zeit wandelt sich seine Position  – so stellt es zumindest die TV-Serie dar. „Die Gründe liegen nicht nur bei den vermehrt eingelieferten Kriegsopfern in die Charité, sondern auch in dem Einfluss der Rassenideologie auf den Alltag im Krankenhaus. Die Handlung erstreckt sich bis zum Ende des Krieges 1945. In diesem Zeitraum wird der einst linientreue Mediziner immer häufiger mit Situationen konfrontiert, die ihn schwanken lassen. Er versorgt Männer aus dem Widerstand, sperrt sich gegen Deportationen und versucht, mit einer geheimen Operation einen Säugling zu retten, dem ein schlimmes Schicksal droht: Verwendung zu Impfversuchen oder gar der Euthanasietod“, heißt es auf der Homepage der Charité.

Kritischer stellt es offenbar die Dokumentation zur Serie dar. Die national-konservative Gesinnung war Grundkonsens in der Ärzteschaft, heißt es in der Ankündigung. Keiner der international hochgeachteten Professoren wie Ferdinand Sauerbruch, Walter Stoeckel oder Georg Bessau wird Mitglied der NSDAP. Doch sie werden Aushängeschilder des Nationalsozialismus. Zu allen Gelegenheiten schmücken sich die Nazibonzen mit ihren Ärzten. „Und die lassen sich gern in Dienst nehmen: ein Kollaborationsverhältnis, das beiden Vorteile bringt“, so der Pressedienst Das Erste. In diesen zwölf Jahren ist Ungeheuerliches geschehen: Ärzte, die aus Beruf und Berufung angetreten sind, Leben zu retten, werden Vordenker und Ausführende der NS-Rassengesetze, werden Mittäter und Wegebereiter einer verbrecherischen Medizin. Von den 20 Ärzten, die im Nürnberger Ärzteprozess nach dem Krieg angeklagt werden, sind sieben Berliner Hochschulmediziner, darunter auch Ärzte der Charité. 

Der Chirurg Ferdinand Sauerbruch steht im Mittelpunkt des Seriengeschehens. Doch wer war dieser ambivalente Charakter? Prof. Dr. Thomas Schnalke, Direktor des Berliner Medizinhistorischen Museums der Charité, stand den Drehbuchautorinnen als Experte beratend zur Seite. „Die Figur Sauerbruch bietet sich in idealer Weise an, die Ambivalenz eines Arztes zwischen Beruf und Politik im Nationalsozialismus zu thematisieren.“ Derzeit bereitet das Berliner Medizinhistorische Museum der Charite eine große Sonderausstellung zu Ferdinand Sauerbruch vor. Unter dem Titel „Auf Messers Schneide“ soll ab Freitag, den 22. März der „ganze“ Sauerbruch gezeigt werden. Die Präsentation folgt dem Chirurgen über die wesentlichen Stationen seines Werdegangs – von Breslau über Zürich und München bis nach Berlin. Dabei werden seine medizinischen Leistungen gewürdigt, er wird als öffentliche Figur gezeigt und es wird das Spektrum seiner Auffassungen und Haltungen in der Zeit des Nationalsozialismus aufgefächert.  (Quellen: Pressedienst Das Erste, Pressestelle Charité)

 

Ab 19. Februar, jeweils dienstags ab 20.15 Uhr. In der Mediathek: Alle Folgen der 1. Staffel, ein „Webspecial“ zu den Auswüchsen der NS-Medizin sowie diverse weitere Hintergründe, darunter ein Extra über „Psychiatrie im Nationalsozialismus“.