Testosteron galt lange Zeit als der böse Bube unter den Hormonen. Zuviel davon im Blut und der Mann wird zum Tiertrieb- und aggressionsgesteuert. Aber macht der Botenstoff tatsächlich angriffslustig oder fördert er hingegen sogar soziales Verhalten? Dies legen zumindest neueste wissenschaftliche Studien nahe. In dem Arte-Beitrag „Testosteron – Der Männerstoff“ erklären international renommierte Forscher, wie subtil das Hormon im Menschen tatsächlich wirkt. Anders als in der Tierwelt lässt sich die pauschale Aussage „Testosteron macht aggressiv“ beim Menschen nicht bestätigen. Das Ganze ist weit komplexer als einst angenommen …
Testosteron – das wichtigste männliche Sexualhormon. Es steht für die Gesundheit des Mannes, sexuelle Lust und das Lebenselixier im Alter. Zugleich wird dem Hormon nachgesagt, es fördere die Aggressivität beim Kampf und Gerangel um den ersten Platz. Der testosterongesteuerte Mann sei risikobereit und egoistisch. Eigenschaften, die heute ein eher schlechtes Image haben. Doch was ist dran am Mythos vom testosterongesteuerten Mann?
Es ist jedenfalls kein Ruhmesblatt der Wissenschaft. Denn der schlechte Ruf des Hormons gehe vor allem auf Forschungsergebnisse von vor über 40 Jahren zurück, so Karoline Nuckel im arte Magazin. Damals sei der Testosterongehalt aber z.B. nur bei männlichen Häftlingen gemessen worden. Die, die besonders gewalttätig handelten, hatten einen besonders hohen Testosteronwert. Offen lasse dies aber, „ob der Testosterongehalt das brutale Verhalten bestimmt oder ob brutales Verhalten zu einem hohen Testosterongehalt führt“. Weitere ältere Studien seien ähnlich problematisch. Nicht berücksichtigt worden sei zudem die Wechselwirkung, die ein Botenstoff wie ein Hormon hervorrufe. Inzwischen nutzen Forscher eine größere Bandbreite an Methoden.
Die Dokumentation geht der Entstehung und den Wirkungsweisen des Androgens auf den Grund. International renommierte Forscher erklären, wie subtil das Hormon im Menschen tatsächlich wirkt. Neueste wissenschaftliche Studien legen etwa nahe, dass der Botenstoff tatsächlich soziales, selbstloses Verhalten, fördert.
Einer der führenden Experten auf diesem Gebiet ist der Franzose Jean-Claude Dreher aus Lyon. Er beweist in seinen Laborversuchen, dass Testosteron nicht aggressiv macht, sondern Männer strategisch handeln lässt. Wer mehr Testosteron im Körper trägt, behandelt andere freundlicher, um seinen eigenen Status zu stärken.
Der britische Verhaltenspsychologe Simon Baron-Cohen hat darüber hinaus untersucht, ob und inwiefern bereits der Testosterongehalt im Mutterleib unterschiedliche Verhaltensmerkmale bei Jungen und Mädchen zutage fördert. Den Forschungen zufolge wirkt sich die Hormonkonzentration auf die Gehirnentwicklung und somit auf Ausprägung von Empathie, Sprachentwicklung und Abstraktionsvermögen aus. Die einfache Gleichung „Testosteron gleich Aggression gleich Macht“ geht nicht auf.
Vielmehr hat der Stoff offenbar auch Potential, positiv auf die Psyche zu wirken. Eine aktuelle Studie eines internationalen Forscherteams um den Psychologen Andreas Walther von der TU Dresden belege, „dass die Zugabe von Testosteron bei Männern mit Depressionen die Symptome um 50 Prozent oder mehr verringern kann“, heißt es im arte Magazin.
Dominantes Verhalten sei zu großen Teilen von früher Prägung und sozialem Umfeld bestimmt. „Es gibt über 500 Hormone und wir entdecken bis heute immer noch neue. Warum sollte gerade dieses eine Hormon über unseren Charakter oder unsere Handlungen bestimmen“, zitiert das Magazin Robin Haring, Epidemiologe und Professor für vergleichende Gesundheitswissenschaften an der Europäischen Fachhochschule in Rostock. (Quelle: Pressestelle arte / arte Magazin)
Testosteron – der Männerstoff
arte, Sonnabend, 9. Februar, 21.45 Uhr, bis 10. März in der Mediathek