Von LSD bis Psilocybin

ZI Mannheim und Charité Berlin testen Psilocybin gegen therapieresistente Depressionen

Psychedelika sind in meist höheren Dosierungen rauscherzeugend. Unterschieden wird in klassisch serotonerge Psychedelika wie LSD, Meskalin, Psilocybin und dem Ayahuasca. Deren Wirkung basiert darauf, dass sie Serotonin-Rezeptoren vom Typ 2A aktivieren und so Veränderungen des Bewusstseins auslösen. Die Suchtgefahr gilt als gering. Allerdings können u.U. bedrohliche Halluzinationen („Bad Trips“) auftreten bzw. Psychosen ausgelöst werden. „Schwammiger“ und unklarer ist die Kategorisierung für atypische Psychedelika. Diese Substanzen haben ebenfalls eine bewusstseinsverändernde Wirkung, allerdings ohne ausschließlich den Rezeptor 2A zu aktivieren. Unter diese Kategorie fallen Ketamin, historisch gesehen ein Anästhetikum, sowie MDMA (Ecstasy). In der Erforschung sind laut Prof. Stefan Borgwardt die Schweiz, Großbritannien, die USA und Niederlande führend, Deutschland liege eher zurück. 

Die einzige Studie (EPisoDE, https://episode-study.de/hgf/) hierzulande ist 2021 als mit rund 1,4 Millionen Euro an Forschungsmitteln öffentlich geförderte Kooperation des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit Mannheim (ZI) und der Berliner Charité gestartet. Als weiterer Förderer der randomisierten, placebo-kontrollierten Phase II Studie mit im Boot ist die gemeinnützige „Forschungs- und Bildungsorganisation“ Mind Foundation. Die Projektleitung liegt bei Prof. Dr. Gerhard Gründer. 

Die 144 Probanden, die an therapieresistenter unipolarer Depression leiden, erhalten in zwei Sitzungen entweder 5 oder 25 mg Psilocybin oder ein Placebo – jeweils psychotherapeutisch vor- und nachbereitet. Als Nebenwirkungen werden hier angegeben: in Einzelfällen vorübergehende Zustände von Verwirrung und psychotische Zustände, „die in der Regel rasch wieder abklingen“. Starke Emotionen und tagtraumähnliche Zustände seien häufiger. Eine positive Studienlage vorausgesetzt, könnte es vermutlich zwischen 5 und 10 Jahren dauern, bis die psychedelische Therapie allgemein verfügbar ist, heißt es auf der Studien-Homepage. 

Größte Evidenz für Angst und Depression

Die ersten verschreibungsfähigen psychedelischen Substanzen würden dann Mitte der 2020er Jahre erwartet. Außerhalb solcher Studien ist eine Verschreibung derzeit nicht legal. Die MIND-Foundation setzt bereits voll auf diesen neuen Zweig und hat eine neue Weiterbildung namens Augmentierte Psychotherapie (augmentieren = vermehren, vergrößern) entwickelt, die – nach Zulassung – auch zur Anwendung psychedelischer Substanzen im Rahmen einer Psychotherapie qualifizieren soll. Augmentierte Psychotherapie unter Einsatz von Ketamin und therapeutischer Atemarbeit wird aktuell bereits in einer Berliner Praxis eingesetzt.

Der traditionelle Gebrauch von Psychedelika in Pflanzenform geht Jahrtausende zurück. Aus Kaktus gewonnenes Meskalin etwa soll schon vor 5700 Jahren verwendet worden sein – in religiösem und Heilritual-Rahmen. LSD wurde erstmalig in der Schweiz im Jahr 1938 von Albert Hoffmann synthetisiert und die Wirkung 1943 eher zufällig entdeckt. In der Hippie-Ära der 1960er Jahre war der Gebrauch von LSD relativ weit verbreitet. Berüchtigt waren Experimente des US-Geheimdienstes mit LSD. 1971 einigten sich die Vereinten Nationen auf ein Verbot von fast allen damals bekannten psychotropen Substanzen. Forschung, zum Beispiel in der Behandlung von Alkoholismus, kam zum erliegen.  

Unterscheidung zwischen Psycholytische Therapie und Psychedelische Therapie

Beim Einsatz der Psychedelika unterscheidet man traditionell in psycholytische Therapie (eher niedrigdosiert, lösend, zur Lockerung von Abwehr, eingebettet in mehrjährige tiefenpsychologische Therapie, sehr umstritten (Kirschblüten-Gemeinschaft)) und Psychedelische Therapie (einmalige Gabe hoher Dosen mit dem Ziel einer überwältigenden, transzendenten Erfahrung mit vor- und nachbereitender Psychotherapie). Wie die EPIsoDE-Studienkoordinatorin Lea Mertens 2021 im Rahmen des DGPPN-Kongresses berichtete, wurden im November 2021 insgesamt 77 Studien gezählt, wovon sich 33 noch in der Phase der Teilnehmersuche befänden. 

Die bislang größte Evidenz gibt es bei Depressionen, Angst sowie Angst/Depression bei schwer Krebskranken. Die Datenlage insgesamt ist bei weitem nicht ausreichend. Probleme bereitet die Verblindung, also das geheim halten der gegebenen Substanz gegenüber den Studienteilnehmern, was bei auftretenden Rauschzuständen schwierig ist. Laufend sind unter anderem auch Studien zu Essstörungen und Cluster-Kopfschmerz. MDMA hat aktuell die besten Chancen, in wenigen Jahren als Medikament für die Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung zugelassen zu werden. In einer klinischen Phase-III-Studie der amerikanischen Non-Profit-Organisation für die Erforschung psychedelischer Substanzen (Maps) verbesserte sich unter 90 Teilnehmern, die Ecstasy erhielten, bei 67 Prozent die Symptomatik innerhalb von zwei Monaten so, dass sie als genesen galten. In der Kontrollgruppe, die nur Gesprächstherapie erhielt, waren dies nur etwa ein Drittel (s. das DGPPN-Magazin Psyche im Fokus/2/2021). Die Forscher führten dies auf die angstlösende und gefühlsverstärkende Wirkung von MDMA zurück, die in der Therapie helfe, das Erlebte besser zu verarbeiten.                    (A. Hinrichs / Originalveröffentlichung EPPENDORFER 2/22))

Weitere Informationen s.a. Müller F, Johnson MW, Borgwardt S., Editorial: Hallucinogens and Entactogens: Establishing a New Class of Psychotherapeutic Drugs? Front Psychiatry. 2020 May 28;11:497. doi: 10.3389/fpsyt.2020.00497. PMID: 32547435; PMCID: PMC7270170