Der Umgang mit Personen, die aufgrund hohen Alters oder psychischer Erkrankung nur noch eingeschränkt autonome Entscheidungen treffen können, stellt Angehörige und Gesellschaft vor Herausforderungen. In manchen Fällen müssen Gerichte und Betreuer eingreifen. Dieser Materie widmet sich der SWR im November mit einem Themenabend.
Es kann jeden treffen: Eine eintretende Demenz, eine psychische oder seelische Erkrankung, und schon läuft der Alltag aus dem Ruder. Wer keine nahen Angehörigen hat, für den setzen die Amtsgerichte Profis ein, sogenannte Berufsbetreuer. Sie regeln die Finanzen, organisieren Arztbesuche und Pflegedienste, und sie bestimmen, ob Betreute im Heim oder in den eigenen vier Wänden leben. Doch für die anspruchsvolle Arbeit bleibt vielen zu wenig Zeit.
Bernd Seifriz-Geiger vom Verein für Betreuung in Esslingen kümmert sich im Auftrag des Amtsgerichts um kranke und alte Menschen, die ihren Alltag allein nicht bewältigen können. „Wenn ich das erste Mal zu den Hilfsbedürftigen nach Hause komme, dann sind viele verängstigt. Manche würden mich am liebsten gar nicht in ihre Wohnung lassen“, sagt der studierte Sozialarbeiter und Betriebswirt. Der 53-Jährige hat Verständnis für solche Reaktionen. Denn per Gerichtsbeschluss managt er quasi von heute auf morgen wichtige Bereiche im Leben dieser Menschen. Er hat Zugriff auf ihre Konten, bespricht sich mit Ärzt*innen und er kann darüber bestimmen, wo die Betreuten leben.
Betreuungssystem lässt oft wenig Zeit für die Menschen
Einer seiner Schützlinge ist ein ehemaliger Pfarrer aus Esslingen. Der 72-Jährige litt unter Depressionen, musste eine schwere Operation über sich ergehen lassen – seine Wohnung verwahrloste immer mehr, Post und Rechnungen blieben ungeöffnet. Für den erfahrenen Betreuer eine typische Situation. Gern hätte Bernd Seifriz-Geiger für solche Menschen mehr Zeit. Doch das Betreuungssystem lässt das oft nicht zu, bezahlt wird in geringen Pauschalen. Betreuer*innen, die zu wenige Klienten haben, kommen kaum über die Runden. „betrifft“-Autorin Nicole Würth hat zwei Berufsbetreuer bei ihrer Arbeit begleitet. Sie hat kranke und alte Menschen besucht, die dankbar sind, und solche, die ihr altes Leben wieder zurückwollen – ohne Betreuer. Außerdem geht der Film der Frage nach, ob sich in der Branche viele schwarze Schafe tummeln, die die Hilfsbedürftigen in Not schamlos ausnutzen.
„Amtsrichterin Lämmlin-Daun – Eine Frau für alle Fälle”
In der Dokumentation „Die Amtsrichterin – Eine Frau für alle Fälle“ ab 21 Uhr beleuchtet Filmautorin Cornelia Uebel das Arbeitsfeld von Susanne Lämmlin-Daun im Amtsgericht St. Blasien. Hier, im kleinsten Gerichtsbezirk im Südwesten und dem zweitkleinsten von ganz Deutschland, laufen die meisten Zivil- und Strafsachen – von Betreuung bis Betrug – über den Tisch der Amtsrichterin. Sie ist juristisch gesehen die Frau für alle Fälle: Ein 72-Jähriger wurde beim Ladendiebstahl erwischt. Eigentlich ein klarer Fall, und trotzdem für die zuständige Richterin nicht ganz einfach, denn der alte Herr steht noch wegen einer anderen Strafsache unter Bewährung. Susanne Lämmlin-Daun muss sich fragen, ob sie den Wiederholungstäter nicht zu einem Gefängnisaufenthalt verurteilen müsste.
Die Richterin als Therapeutin
Nicht selten macht die Richterin auch Hausbesuche, um zu ermitteln, ob Menschen in schwierigen Lebenssituationen einen vom Gericht bestellten Betreuer bekommen sollten. Manchmal ist sie sogar eine Art Familientherapeutin, wie in einem weiteren Fall: Eine Tochter hat ihre Mutter verklagt. Die tieferen Gründe des Familienstreits kann die Richterin nicht klären, aber vielleicht mit einem salomonischen Urteil die beiden Frauen wieder miteinander ins Gespräch bringen? Der Film begleitet Susanne Lämmlin-Daun bei der Urteilsfindung. Entstanden ist eine Dokumentation über Recht und Gerechtigkeit und über das pralle Leben hinter juristischen Schriftsätzen und Paragraphen.
(Quelle: Pressemitteilung des SWR)
Themenabend: „Gerichtliche Betreuung“ am Mittwoch, 27.11.2019 im SWR Fernsehen:
„betrifft: Betreuer – Wer hilft, wenn nichts mehr geht?“ ab 20:15 Uhr
„Die Amtsrichterin – Eine Frau für alle Fälle“ ab 21:00 Uhr.