Suchthilfe in Zeiten
der Pandemie

Die Behandlungsräume im Drob Inn werden nach jeder Behandlung desinfiziert und gereinigt. Foto: Archiv

Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist im vergangenen Jahr gestiegen: 2019 starben insgesamt 1398 Menschen durch illegalen Rauschgiftkonsum, wie die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) am Dienstag in Berlin mitteilte. Das war ein Anstieg um 9,6 Prozent. 2018 hatte es 1276 Drogentote gegeben. Um so wichtiger ist die Aufrechterhaltung von Suchthilfeangeboten auch in Zeiten der Corona-Pandemie. Dies wird unter anderem durch Ausnahmen bei den Kontaktverbotsregelungen ermöglicht. Drogenentwöhnungen finden unter (Hygiene-) verschärften Bedingungen statt.

Hauptursache des Anstiegs der Drogentoten-Zahl seien nach wie vor Überdosierungen von Opioiden wie Heroin oder Morphin sowie die Kombination mit anderen Substanzen. Besonders auffällig sei die Zunahme der Todesfälle aufgrund langjährigen Drogenmissbrauchs, hieß es. Diese Zahl stieg 2019 binnen einem Jahr von 38 auf 172 Fälle.  

Auch in Hamburg ist die Zahl der Drogentoten zuletzt deutlich gestiegen. 2018 kamen 71 Menschen  durch Drogenmissbrauch ums Leben, 11 mehr als 2017. Zahlen aus 2019 liegen noch nicht vor. 

 „Wir brauchen flächendeckende Substitutions- und Hilfsangebote – auch in der Coronakrise“, machte der Hamburger  Träger von Suchthilfeeinrichtungen Jugendhilfe e.V. vor dem Hintergrund der steigenden Zahlen deutlich. 

 „Wir sind den Behörden sehr dankbar, dass unsere niedrigschwelligen Einrichtungen wie das Drob Inn in St. Georg und das Stay Alive in Altona wie auch Arztpraxen, Krankenhäuser, Apotheken etc. laut Allgemeinverfügung von den bestehenden Kontaktverboten ausgenommen sind“, teilte der Träger mit. Denn sonst wären die Nutzung der Drogenkonsumräume, medizinische Behandlung und Beratung nicht möglich.

Um Klient*innen und Mitarbeitende aber möglichst weitgehend zu schützen, hat Jugendhilfe e.V. die gleichzeitige Aufenthaltsmöglichkeit von Klient*innen im Drob Inn – täglich mehrere hundert Besucher – und auch im Stay Alive reduziert. Der Einlass werde von den Mitarbeitenden kontrolliert, die Drogenkonsumräume sind aber weiterhin geöffnet, und in den Behandlungsräumen mit medizinischer Versorgung werde nach jeder einzelnen Behandlung ein Maximum an Desinfektion und Reinigung vorgenommen.

Kontaktintensive Arbeiten in der medizinischen Versorgung wie Verbandswechsel und längere Untersuchungen würden aber inzwischen nur noch zu festgelegten Zeiten vorgenommen. Die medizinischen Mitarbeiter*innen seien dabei mit FFP2-Mund-Nasenschutz-Masken und Schutzanzügen ausgestattet. Die Schutzhandschuhe würden bei jedem Verbinden mehrmals gewechselt. Gibt es hier einen Corona-Verdachtsfall, würden Klient*innen in einen gesonderten Raum gebeten, die persönlichen Daten zur möglichen Nachverfolgung durch das Gesundheitsamt aufgenommen und der Arztruf 116117 informiert, um einen Test auf das Virus vorzunehmen. Die Kolleg*innen sind durch Handschuhe und eine Atemmaske geschützt.

Auch stationäre Angebote machen weiter

In den Einrichtungen der teilstationären und stationären Suchtkrankenhilfe werde die Angebotsstruktur ebenfalls aufrecht erhalten. Dazu gehören die teilstationäre Erstversorgungseinrichtung Projekt Nox in St. Georg, in der weiterhin obdachlose Drogenabhängige versorgt und betreut werden. Im Projektverbund Wohngruppen werden im Rahmen der Eingliederungshilfe vielfältige Hilfen für suchtmittelabhängige Menschen in Form von stationären und teilstationären Angeboten wie Wohntraining, Beschütztes Wohnen und Betreutes Wohnen erbracht. In der Fachklinik Hamburg-Mitte werde die stationäre medizinische Rehabilitation für Drogen- und Suchtmittelabhängige fortgeführt.

Auch im Bereich der Wohnungslosenhilfe von Jugendhilfe e.V. werde der Zutritt zu den Einrichtungen von den Mitarbeitenden kontrolliert. Persönliche Kontakte von Angesicht zu Angesicht seien auf ein Mindestmaß reduziert worden.  Klientenkommunikation findet im Wesentlichen telefonisch statt. Aushänge im Eingangsbereich weisen auf Hygieneregeln hin.   Bargeldauszahlungen  werden möglichst vermieden. Offene Sprechstunden sind auf telefonische Sprechstunden umgestellt, offene Bereiche für Kontakt- und Begegnung geschlossen,  Gruppenangebote wurden eingestellt. 

Christine Tügel, Vorstand Jugendhilfe e.V.: „Wir wissen, dass es in dieser schwierigen Situation oft mehr Fragen als Antworten gibt. Umso mehr schätzen wir das hohe Engagement unserer Kolleg*innen in diesen Tagen. Viele, die zu Hause in Quarantäne festsitzen, zeigen uns sehr deutlich, dass sie lieber weiterhin für die Klient*innen da sein und möglichst schnell an ihren Arbeitsplatz zurückkehren würden. Dafür möchten wir uns bei allen sehr herzlich bedanken. Damit die hohe Motivation auch bleibt, benötigen wir für unsere Mitarbeitenden in den nächsten Tagen allerdings ausreichend Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel aus den von der Gesundheitsbehörde erwarteten Lieferungen.“

Drogenklinik nimmt weiter auf

Und die Drogenentwöhnungen? Die MEDIAN Klinik Mecklenburg  in Parber machte angesichts Nachfragen deutlich: „Wir nehmen weiter auf”. Allerdings unter folgenden Bedingungen: Aufnahmen können derzeit nur direkt aus der Entzugsbehandlung (mind. 14 Tage) erfolgen. Klienten dürfen nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, werden notfalls auch in Einrichtungen abgeholt. Es wird nicht aus Einrichtungen aufgenommen, die bereits Verdachtsfälle oder bestätigte Infizierungen haben. Die Therapie finde wie gewohnt statt, allerdings unter den verschärften Hygienemaßnahmen. Während des Rehaaufenthaltes seien Besuche und Heimfahrten verboten. Da es sich nicht um Tourismus handelt, seien Einreisen in das Bundesland zwecks Medizinischer Reha erlaubt.