Roboter “Charlie” begleitet seit einem Jahr die Bewohnerinnen und Bewohner des Lübecker Pflegezentrums Travetal. Er macht mit ihnen Gymnastik, erzählt Witze und spielt Lieder von Hans Albers. Trotzdem muss er noch einiges lernen.
Selbst ein Roboter funktioniert nicht immer auf Knopfdruck. Charlies Arme hängen, der Kopf ist zu Boden gerichtet. „Eben hatten wir Software-Probleme, ich hoffe, es klappt jetzt“, sagt Jutta Tandler vom Lübecker Pflegezentrum Travetal und gibt Charlie über ein Tablet das Startsignal. Sie hat Glück, der weiße Roboter richtet sich auf, reckt und streckt sich, die großen Augen fangen an zu leuchten. Mit etwas blecherner Stimme begrüßt er sein Publikum. Dabei dreht er sich und gestikuliert.
Seit einem Jahr unterstützt Roboter Charlie die Pflegekräfte bei der sozialen Betreuung der insgesamt 178 Bewohnerinnen und Bewohner der diakonischen Pflegeeinrichtung. In der dreijährigen Projektphase soll getestet werden, ob Charlie die Pflegekräfte entlasten und gleichzeitig die geistige und körperliche Fitness der Bewohner fördern kann.
Charlie macht Gymnastik-Übungen vor und erzählt Witze
Bei Gruppentreffen macht er den Bewohnerinnen und Bewohnern Gymnastik-Übungen vor. Zwischendurch erzählt er Witze oder spielt über eine Playlist Lieder ab, die sich die Bewohner wünschen können. Pflegerische Arbeiten übernimmt der 1,20 Meter große und 30 Kilogramm schwere Roboter nicht.
Charlie wurde von der Fachhochschule Kiel gemeinsam mit der Gesellschaft für digitalisierte und nachhaltige Zusammenarbeit Siegen in Nordrhein-Westfalen entwickelt. Inzwischen sind vier solcher Roboter im Einsatz, einer in einer diakonischen Pflegeeinrichtung in Fockbek (Kreis Rendsburg-Eckernförde) und zwei in Einrichtungen in der Nähe von Siegen. Finanziert wird das Projekt vom Verband der Ersatzkassen (vdek). Ein Roboter kostet bis zu 20.000 Euro. „Wir arbeiten schon mehrere Jahre an solchen Robotern. Jetzt ist es aber das erste Mal, dass wir sie auf längere Sicht direkt in Einrichtungen testen können“, sagt Professor Jens Lüssem von der Fachhochschule Kiel. So könnten die Roboter im laufenden Prozess kontinuierlich weiterentwickelt werden.
Richtige Konversation ist noch nicht möglich
Jutta Tandler hat schon weitere Ideen für Charlie. Sie würde es gut finden, wenn der Roboter selbstständig über den Flur fahren und die Bewohner begrüßen könnte. Auch eine richtige Konversation ist mit Charlie noch nicht möglich. An weiteren Apps zum Gedächtnistraining wird bereits gearbeitet. Dennoch zieht Tandler eine positive Zwischenbilanz. „Wenn Charlie etwa Bewegungen vormacht, kann ich mich in der Zeit um einzelne Bewohner kümmern. Das ist ein großer Gewinn.“
Auch Doreen Boniakowsky von der Diakonie Nord Nord Ost glaubt, dass solche Roboter auf lange Sicht das Pflegepersonal entlasten könnten. Keinesfalls ginge es jedoch darum, Mitarbeiter zu ersetzen. Im Gegenteil: „Wir möchten den Pflegeberuf durch Einsatz von Technik attraktiver machen, um mehr Menschen für diese wichtige Aufgabe zu gewinnen.“
„Ein paar Haare wären schön.”
Die Bewohnerinnen und Bewohner vom Lübecker Pflegezentrum Travetal stehen Charlie größtenteils positiv gegenüber. Amüsiert begrüßen sie den Roboter zur Gruppenstunde. Er könne noch etwas menschlicher aussehen, findet eine Seniorin. „Ein paar Haare wären schön.“
Charlie singt mit ihnen „Das Wandern ist des Müllers Lust“ und „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“. Dabei dreht er sich ununterbrochen und spielt Luftgitarre zur Musik. Die Senioren singen mit und freuen sich über seinen Hüftschwung. „Den kann er noch nicht lange“, erklärt Tandler. Studierende von der Fachhochschule Kiel haben ihn Charlie frisch beigebracht.
epd