Psychiatrie bläst
zum Protest

Protestplakat. Screenshot / www.dgppn.de

Auch die Psychiatrie hat gelernt zu mobilisieren.  2016 gelang es ihr mit einem breiten Bündnis die Einführung eines pauschalierendes Entgeltsystems (PEPP) mit Fallpauschalen zu stoppen. Können jetzt auch die befürchteten schwerwiegenden Folgen der jüngst vom G-BA beschlossenen Richtlinie zu Personalmindestvorgaben verhindert werden? Dieser Beschluss war auf breite und massive Kritik gestoßen. Die G-BA-Vorgaben sollen die 30 Jahre alte Psychiatrie-Personalverordnung (PsychPV) ablösen, die Ende des Jahres ausläuft. Ein Bündnis „Mehr Personal und Zeit für psychische Gesundheit“ fordert jetzt eine bundesgesetzliche Regelung und rief für den 10. Oktober – dem Welttag der seelischen Gesundheit – zu einer Demonstration vor dem Bundesgesundheitsministerium in Berlin auf.

Ziel des Protests ist es, den Bundestag zum Handeln zu bringen. Und zwar schnell. Bis 1. Januar soll er Soll-Vorgaben mit Nachweispflichten für die Budgetverhandlungen beschließen, die deutlich oberhalb der Minimalbesetzung (Untergrenze) und der bisherigen Psychiatrie-Personalverordnung liegen, und dem G-BA für die Weiterentwicklung der Richtlinie konkrete Vorgaben  machen. Hinter den Forderungen stehen 30 Organisationen – von Berufs-Fachverbänden und Klinik-Verbünden über Angehörige und Psychiatrie-Erfahrene bis zur Alzheimer-Gesellschaft. 

Plastisch vor Augen führen sollte den Widerstand eine Demonstration am 10. Oktober 2019 um 12 Uhr auf der Friedrichstraße 108 in Berlin (Mitte) – vor dem Haupteingang des BMG.  Außerdem wird dazu aufgerufen, Protestbriefe an  Mitentscheider und Jens Spahn zu schicken – Vorlagen können im Netz heruntergeladen werden. Zudem wurde eine Petition eingereicht, die aktuell überprüft wird. Ziel seien 50.000 Unterschriften.  Weitere Informationen zu den aktuellen Protestaktionen unter www.mehr-personal.org

Und was ist die Alternative zur bekämpften G-BA-Richtlinie? Aktuell arbeite eine Vielzahl an Verbänden und Fachgesellschaften an einem Alternativmodell zur G-BA-Richtlinie namens Plattform, heißt es auf der  Protest-Website. Erste Ergebnisse wurden Anfang 2019 in der Fachzeitschrift „Der Nervenarzt“ veröffentlicht. Mit der Veröffentlichung der Endfassung sei Anfang 2020 zu rechnen. Die ehemalige DGPPN-Präsidentin und Chefärztin Dr. Iris Hauth erklärte das Modell bei einer Fachtagung im Februar so:  Kern sei, dass Leistung dem Bedarf folgen müsse, der mehrdimensional erfasst werden soll.  Die Bedarfe würden in drei Dimensionen unterteilt – psychiatrischer, somatischer und psychosozialer Bedarf –, die dann in Form typischer Fallbeschreibungen zu acht Clustern, Bündeln zusammengefasst werden. 

„Hinzu kommen diverse Aspekte, die die Arbeit kennzeichnen und in die Personalberechnung einfließen müssen: vom Setting über diverse Stadien der Behandlung und Diagnostik bis zu Nachsorgeplanung, Dokumentation und Netzwerkarbeit“, berichteten wir in der EPPENDORFER-Ausgabe 2 / 2019. „Plattform“ wurde damals von Ver.di begrüßt, das mit einem „PsychPV Plus“ genannten Positionspapier bereits eigene Prüfsteine vorgelegt hatte. Auch Jurand Daszkowski,Vorstandsmitglied im Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener, äußerte Zustimmung. 

Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) kündigte zusätzlich zur Beteiligung am aktuellen Protestbündnis ein Symposium zum Thema im Rahmen der DGSP-Jahrestagung in Leverkusen an. Dort soll am 5. Dezember 2019 unter der Überschrift „Gute Psychiatrie braucht gute Personalbemessung – und zwar jetzt“ die zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich final veröffentlichte Richtlinie aus Sicht der Beschäftigten, aus ärztlicher sowie aus pflegerischer Sicht und aus Sicht der Experten aus Erfahrung diskutiert und bewertet werden. Mehr dazu: http://www.dgsp-ev.de/tagungen/aktuelle-tagungen/dgsp-jahrestagung-2019/pflege-symposium.html. Eine Stellungnahme der DGSP zu dem Beschlussentwurf über eine Erstfassung der Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie vom 10. Juli 2019 findet sich hier: https://www.dgsp-ev.de/fileadmin/user_files/dgsp/pdfs/Stellungnahmen/DGSP-Stellungnahme_zur_Erstfassung_Personalausstattung_Psychiatrie_und_Psychosomatik-Richtlinie__10._Juli_2019_.pdf

(hin)